Die Liebe des Kartographen: Roman
bewusst, ja, er hatte sie sogar absichtlich gewählt. Um sie in die Enge zu treiben? Lächerlich zu machen und bloÃzustellen? Er war sich ziemlich sicher, dass Xelia darauf nichts antworten würde, und ihr zögerliches Schweigen schien ihn zu bestätigen.
»Ich weiÃ, was du meinst«, kam es jedoch völlig unerwartet. Nun lachte sie auf. »Wahrscheinlich findest dumeinen Vergleich dumm, aber mir geht es ähnlich, wenn ich für jemanden eine Arznei bereiten soll!« Sie schaute ihn erwartungsvoll an.
Philip starrte verdutzt zurück.
Ermuntert durch sein Schweigen, sprach sie weiter. Mutig und ohne Angst, sich vor ihm, dem Gelehrten, lächerlich zu machen, schilderte sie ihm, wie wichtig es ihr war, bei der Herstellung einer Heilsalbe den haargenau richtigen Anteil aller Zutaten zu bestimmen und die Salbe selbst so lange zu rühren, bis sie genau die Weichheit oder Festigkeit hatte, die Xelia sich dafür vorstellte.
Schweigend hörte Philip ihr zu. Das Gespräch hatte eine Entwicklung angenommen, die nicht mehr er bestimmte, sondern Xelia.
»Das ist kein dummer Vergleich!«, entfuhr es ihm zu seinem eigenen Erstaunen. »In jedem Beruf gibt es Handwerker und Künstler â es ist alles eine Frage des Anspruchs, den man an seine Arbeit hat. Das ist mir schon klar geworden, als ich mich früher ins Stadtarchiv schlich, um dort die Zeichenstile der verschiedenen Kartographen zu vergleichen. Da gab es diejenigen Karten, die zwar durch ihre Exaktheit bestachen, denen es jedoch an jeder künstlerischen Ausarbeitung fehlte. Auf der anderen Seite waren da Karten, die eher einem Gemälde glichen und bei denen der Betrachter Mühe hatte, wenigstens zu erahnen, um welchen Landstrich es sich handelte. Ein solcher Kartograph wäre besser Stadtmaler geworden und hätte Tanzhallen mit seinen Gemälden verziert! Nein, das kann es nicht sein. Ich ⦠ich will versuchen â¦Â«, er stutzte. Konnte er so offen von seinen Ambitionen reden, ohne sich dabei lächerlich zu machen? Warum sollte ihm gelingen, woran es in seinen Augen den meisten seiner Kollegen und Vorgängern fehlte?
»Ich weià schon, was du willst«, kam es ein wenig spöttisch von Xelia. »Du willst beides: ganz genau aufzeichnen, was du mit dem Auge siehst und mit deinen Schrittenabgemessen hast, und auÃerdem eine schöne Karte malen!« Sie schaute ihn triumphierend an.
Das war zwar reichlich simpel ausgedrückt, traf aber zumindest den Kern der Wahrheit. Philip setzte gerade an, um seine hehren Ziele genauer auszuführen, als sie ihm das Wort abschnitt. »Also, weiÃt du ⦠in meinen Augen ist es das Mindeste, was du versuchen solltest! Darauf brauchst du nicht sonderlich stolz zu sein.«
Wollte sie sich über ihn lustig machen? Oder war das wieder einer ihrer bösartigen Anfälle, bei denen jedes ihrer Worte scharf wie ein Damaszener Schwert wurde? Philip blieb der Mund offen stehen. Arger stieg in ihm hoch. Er kannte sich selbst nicht mehr. Warum lieà er sich überhaupt auf solche Gespräche ein?
Sie schien ihre Worte jedoch ernst zu meinen, denn sie fügte hinzu: » Dieses Streben nach Perfektion  â das tut doch jeder Handwerker, der etwas auf sich hält. Sogar der Gerber, der verfluchte Dreckskerl! Was haben wir uns die Finger blutig schaben müssen, um von jedem Lederfetzen auch noch den letzten Rest Fell abzubekommen! Da nutzte es nichts, dass wir zu ihm sagten: Schau, daraus werden doch sowieso nur Stiefelsohlen gemacht, wen kümmern da ein paar Härchen? Als Antwort gab es erst einen Schlag ins Kreuz, und dann mussten wir doch weiterschaben, bis er endlich zufrieden war. Für ihn reichten auch keine gelblichen oder grauen Lederstücke, wenn er weiÃe haben wollte! Und wenn wir dabei fast umkamen wegen der stinkenden Lauge, die mit jedem Mal Waschen die Farbe ein wenig mehr ausbleichte! Weià war weià und eben nicht grau.« Xelia sah aus, als würde sie die Qualen dieser Gerberarbeiten beim Erzählen aufs Neue durchleben.
Philips Ãrger verschwand so urplötzlich, wie er gekommen war. Stattdessen wurde er unsicher. Ãber alles konnten sie sprechen, nur nicht über den Gerber und das ganze Unglück, das er ihr angetan hatte! Was das anging, wusste er einfach nicht weiter.
»Adalbert Hyronimus, der Arzt, von dem ich dir erzählt habe â¦Â« Philip wollte sie unbedingt
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