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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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östlicher Richtung an. Ihr dunkles Grün stach angenehm aus der braunen Umgebung hervor, die noch auf das Farbenspiel des Frühlings warten musste. Nach zweihundertdreißig Schritten hatte er sie erreicht und malte auch diesen Punkt auf den mit hellgrauen Quadraten überzogenen Bogen Papier, der die Vorlage für seine Karte geben sollte. Aus seinen beiden ersten Messungen und deren Richtungsverlauf ergab sich nun logischerweise die Strecke zwischen den drei Tannen und seinem Ausgangspunkt, der kurz hinter dem Stadttor lag.
    Auf diese Art bewegte er sich langsam in Richtung Reutlingen fort, immer wieder das Gelände in Dreiecke aufteilend, deren Schenkel er abschritt. Stets suchte er markante Punkte, die er in seine Karte einzeichnen wollte: hier eine leichte Steigung, dort ein Bach, auf dessen linker Seite sumpfiger Boden ihn und sein Pferd knöcheltief einsinken ließ, etwas weiter zu seiner Rechten ein bäuerliches Anwesen, das aus zwei größeren Häusern und einem kleineren Haus bestand. All dies malte er in seine Karte ein. Sie wurde von Stunde zu Stunde dichter. Am frühen Nachmittag dachte er an den Rat des Reitstallbesitzers und ging zu dem Bach zurück, um sein Pferd ausgiebig zu tränken. Dann setzte er sich auf einen Baumstumpf und packte den Brotlaib aus, um das lauter werdende Rumpelnin seinem Bauch zu beruhigen. Das Pferd begann, sofort zu grasen, und machte keinerlei Anstalten davonzulaufen. Wohlwollend tätschelte Philip seinen Hals.
    Während er auf einer dicken Scheibe Brot kaute, schaute er zufrieden sein bisher geschaffenes Werk an, das er vor sich auf dem Boden ausgebreitet hatte. Ein gutes Stück Arbeit für einen Tag! Es war sicherlich kein schlechter Gedanke, nach seiner Rast auf dem kürzesten Wege nach Reutlingen aufzubrechen, um dort noch bei Tageslicht anzukommen. Übernachten würde er in einem Gasthof, den ihm sein Tübinger Wirt empfohlen hatte. Hoffentlich bekam er dort eine Kammer für sich, dann konnte er in aller Ruhe seine Notizen ins Reine zeichnen. Und mit seinem Tagebuch wollte er auch beginnen. Wenn er am nächsten Morgen von Reutlingen aus die zweite Hälfte der Strecke sozusagen rückwärts vermaß, konnte er am Tag darauf schon …
    Das Pferd hatte plötzlich aufgehört zu grasen und eine sonderbare Haltung eingenommen. Noch ehe Philip wusste, was geschah, begann das Tier, sich mit einem plätschernden Strahl zu lösen, der restlos alles, was sich in seiner Umgebung befand, mit säuerlicher gelber Pisse bespritzte.

~ 4 ~
    N achdem Xelia sich von Anna getrennt hatte, die für ihre Badegewohnheiten nichts übrig hatte, ging sie ein gutes Stück an der Muhr entlang, bis sie zu einer Stelle kam, wo sich der Bach wie eine Schleife um einen kleinen Hügel wand. Hinter diesem Hügel zog Xelia sich aus und stieg ins Wasser. Die Leute aus dem Dorf holten ihr Wasser aus dem Brunnen in der Dorfmitte, deshalb war Xelia hier vor neugierigen Blicken sicher. Wann immer sie sich davonstehlen konnte, kam sie hierher, um sich zu waschen. Sie rubbelte sich von oben bis unten mit einem Büschel Gräser ab, bis ihre Haut fast wund war. Ihr Körper begann zu prickeln wie von tausend Nadeln gestochen, dann wurden Arme und Beine ganz lahm, was Xelia nicht als unangenehm empfand. In diesem Zustand überkam sie regelmäßig das Gefühl, als würden sich in ihr tausend Kammern öffnen, deren letzte Winkel im kalten Wasser ausgespült wurden, bis nur noch saubere, reine Luft darinnen war. Im Sommer tauchte sie zu guter Letzt jedes Mal mit dem ganzen Kopf unter Wasser, in der kalten Jahreszeit verzichtete sie jedoch darauf.
    Auch heute wartete sie auf das zufriedenstellende Gefühl am Ende ihres Bades. Doch umsonst. Sie konnte sich noch so lange mit dem weich gewordenen Grasbüschel abreiben – den säuerlichen Geruch, der an ihr haftete wie Pech, bekam sie nicht aus der Nase.
    Wer von innen her beschmutzt ist, dem hilft auch das gründlichste Bad nichts, schoss es ihr durch den Kopf, bevor sie den Gedanken verhindern konnte. Was der Gerber nachts mit ihr tat, war unrecht, dessen war sie sich sicher. Doch wenn es vorbei war, schaute er sie immer so hasserfüllt an, als trüge sie die Schuld an seiner Lust. Vielleichtwar es ja so? Schließlich benutzte er nur ihren Körper, nicht aber den ihrer Schwestern. Xelia schlug mit beiden Händen heftig auf das vorbeirauschende

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