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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Forsten und Wälder im Land zu erarbeiten, hatte er sein Glück nicht fassen können. Er, einer der jüngsten Kartographen in Stuttgart, sollte auf die große Reise gehen, die ihn kreuz und quer durchs ganze Land führen würde. Was für eine Aufgabe! Ein Lebenswerk. Und doch nicht genug für ihn. Denn im gleichen Moment hatte er den ehrgeizigen Plan gefasst, dass seine Karten mehr sein sollten als nur eine Darstellung aller Wälder. Dass er alles erfassen würde: Forsten und Wälder natürlich, aber daneben auch Städte und Dörfer, Flüsse und Seen, Berge und Hügel. Er würde detailgetreu arbeiten und Straßen, Wege und Brücken einzeichnen, Klöster, Kirchen und andere wichtige Bauwerke. Es konnte ihm niemand verbieten, auch einen Blick auf die Landschaft außerhalb der Wälder zu werfen und das, was er sah, festzuhalten. Sein Auftraggeber, der Herzog, würde mehr bekommen, als er gewünscht hatte.
    Philips Füße zuckten unruhig auf der harten Strohmatratze, als könnten sie es keine weitere Stunde untätig aushalten. Was seine Messungen anging, würde Philip sich nur mit allergenauesten Zahlen zufrieden geben – lieber würde er einen Punkt zu viel anpeilen als einen zu wenig. Je mehr er über sein Vorhaben nachdachte, desto aufgeregter wurde er. Welcher Mensch hatte schon das große, das übermenschliche Glück, seine Leidenschaft zum Beruf machen zu können?
    Hatte es eigentlich je eine Zeit in seinem Leben gegeben, in der die Kunst, Land zu vermessen und diese Messungen auf Karten festzuhalten, ihn nicht fasziniert hatte? Er konnte sich nicht daran erinnern. Von klein auf, wann immer er seinen Vater, einen hohen Verwaltungsbeamten, im Stuttgarter Amt besuchen durfte, hatte er die Möglichkeit genutzt, um mit den Kartenmalern zu reden und ihre Werke zu bestaunen. Wie allwissend und mächtig ihm diese Männer damals vorgekommen waren! Und wie sehr er es bedauert hatte, dass sein eigener Vater nur einer derjenigen war, die Zahlen auf Papier hin- und herschoben. Als es an der Zeit war, mit seinem Studium zu beginnen, widmete er den allergrößten Teil davon der Kartographie. Keine Berechnungsmethode, keine Zahlenreihe war ihm zu aufwendig. Der Kompass wurde sein ständiger Begleiter, und bald konnte er keinen Schritt mehr tun, ohne ihn im Geiste schon in eine Karte eingezeichnet zu sehen. Mochten andere Studenten tief schürfende Diskussionen über den Sinn des Lebens nach dem Vorbild Melanchthons und Luthers führen, er steckte seine Nase in alte Bücher über die Geographie des Ptolemäus, setzte sich mit den Schriften antiker Schriftsteller auseinander und zeichnete alte Karten nach. Sogar in der Kunst des Kupferstechens hatte er sich zeitweise geübt! Bei der Erinnerung an seine unregelmäßigen Sticheleien auf der rutschigen Kupferplatte musste Philip grinsen. Nein, nein, darin hätte er wohl nie dauerhafte Erfüllung gefunden. Was ihn fesselte, war die Arbeit, die vor dem Stechen stattfand, das eigentliche Erarbeiten einer Landkarte. Und das war von Anfang an so gewesen. Während seine Kameraden den Mädchen schöne Augen gemacht hatten, war er durch Tübingens Auen marschiert, einen Kompass in der einen, einen Bogen Pergament samt Griffel in der anderen Hand, und hatte einfache Wegvermessungen durchgeführt. Statt wie andere das Studium zu unterbrechen und die Abenteuer eines Feldzugs mitzumachen, hatte er kleine Aufträge für seinen Vater erledigt. Ein wenig hatte er die Heimkehrer schon um ihre aufregenden Geschichten über gewonnene Schlachten underoberte Landstriche beneidet – als er jedoch mitbekam, wie schwer es den Männern fiel, sich wieder in den geordneten Studentenalltag einzufügen, war er froh, erst gar nicht aus dem Schritt gebracht worden zu sein. Nach Beendigung seines Studiums war er in der Verwaltung Stuttgarts mit allerlei Sonderaufgaben betraut gewesen, bei denen sein großes technisches Wissen gefragt war. Sein unermüdliches Arbeiten hatte sich gelohnt. Bald sprachen sich sein Fleiß und wohl auch sein Können bis zum Herzog herum. Jetzt war er kurz davor, sein Wissen anzuwenden. Was der berühmte Kartograph Philipp Apian für Bayern erreicht hatte, nämlich ein lückenloses Werk von 40 Karten zu schaffen, das würde ihm auch gelingen. Dank seiner Arbeit würde Württemberg dem Nachbarland in nichts mehr nachstehen. Seine

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