Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
nur mit den Zähnen.
    Â»Irgendwie habe ich mir jemand ganz anderen vorgestellt«, fuhr er lahm fort. Eine Kräuterhexe war doch alt und hatte Warzen und Haare im Gesicht! Doch das Mädchen hier war jung und schön und … Unvermittelt strich er ihr über die Wange, was für ihn mindestens so überraschend klang wie für Xelia, die nicht einmal Zeit hatte zurückzuweichen. Erstaunlicherweise war seine Berührung nicht unangenehm, sondern warm und weich wie die Schnauze eines jungen Kalbes. Und genauso harmlos.
    Â»Samuel Blaustein ist mein Name.« Verlegenes Schweigen. Dann sagte er: »Du kennst dich also mit den Kräutern aus.« Er versuchte, sich zu erinnern, weswegen er gekommen war, doch Xelias nackter Körper tauchte immer wieder vor seinem inneren Auge auf. Sein Gesicht lief rot an.
    Â»Ja, und wenn dir das nicht passt, solltest du dir jemand anderen suchen, der deiner Mutter hilft.« Xelia wollte ärgerlich klingen, war jedoch über den fremden Klang ihrer Stimme überrascht. Die Verwirrtheit des Tuchmachersohnes irritierte sie. Seine Familie war die reichste weit und breit – das ganze Dorf stand bei Aaron Blaustein, dem Juden, in Arbeit, von ihrer eigenen Familie einmal abgesehen – und Samuel guckte sie an wie der Dorfdepp, dernicht bis drei zählen konnte. Xelia wandte sich zum Gehen ab.
    Â»Nein! So warte doch!« Er hielt sie am Ärmel fest. »Ich brauche dich.« Seine Stimme hatte einen so flehentlichen Ton angenommen, als ginge es um sein Leben.
    Als würde sie ihm damit eine große Gnade erweisen, drehte Xelia sich langsam wieder um und schaute ihn an. Etwas an ihrer Situation war seltsam: Eigentlich hätte sie, das nackte Weib, sich wehrlos und ungeschützt fühlen müssen, während der Blaustein-Sohn seine Überlegenheit ihr gegenüber ausspielen konnte. Dem war aber nicht so, ganz im Gegenteil: Fast schien es, als hätte ihr Gegenüber Angst vor ihr. So eine Torheit! Sie musste lachen. Ohne zu wissen, worüber sie sich amüsierte, fiel er in ihr Lachen ein. Seine Augen waren groß und verwundert, arglos und so klar wie ein Bergsee. Plötzlich entdeckte Xelia eine verheißungsvolle Welt darin – und sie wünschte sich nichts mehr, als Samuel wiederzutreffen.

~ 5 ~
    M it gerunzelter Stirn saß Philip Vogel am hintersten Tisch des Wirtshauses und versuchte, sich auf sein Tagebuch zu konzentrieren. Alle Bänke um die anderen Tische waren bis auf den letzten Platz besetzt, viele Männer tranken ihr Bier sogar im Stehen. Gleich vier Schankmädchen beeilten sich, den Gerstensaft in Steinkrügen so schnell wie möglich an die Tische zu bringen. Die Ankunft jedes neuen Kruges wurde von den Gästen mit einem Aufjohlen gefeiert. Hätte Philip gewusst, was sein Tübinger Wirt unter einem »empfehlenswerten« Gasthof verstand, hätte er sich um eine andere Bleibe für die Nacht bemüht. Nicht einmal eine eigene Kammer hatte er im Gasthof zum Grünen Baum bekommen! Stattdessen würde er warten müssen, bis die Zecher genug hatten und die Wirtsleute die Tafeln aufheben konnten, um Decken auszurollen. Immerhin war er der einzige Übernachtungsgast. Trotzdem, so hatte er sich die erste Nacht seiner langen Reise eigentlich nicht vorgestellt. Das nächste Mal, nahm er sich vor, würde er gleich bei der Ankunft in einem Gasthaus die Übernachtungsmöglichkeiten genauer inspizieren. Vor allem in größeren Städten wie Reutlingen gab es mehr als genug Gasthöfe, so dass der Reisende eigentlich nur die Qual der Wahl hatte. Aber nein, er hatte sich wahrscheinlich den schlechtesten aufschwätzen lassen! Genau wie bei der Missgeburt von Pferd, schoss es ihm durch den Kopf. Philip war froh, es erst einmal los zu sein: Je weniger er mit dem Biest zu tun hatte, desto besser. Kaum war er mit dem Braunen in den Hof des Gasthofes einmarschiert, hatte ein eilfertiger Stallknecht ihm die Zügel aus der Hand gerissen und das Tier ins Stallgebäude geführt.
    Nachdem der Gaul fast sein ganzes Tagwerk zunichtegemacht hatte, hätte er ihn am liebsten ordentlich verdroschen. Nur wusste er leider nicht, welche Regungen das Vieh darauf zeigen würde. Vielleicht wäre es vor lauter Angst auf der Landkarte herumgetrampelt, noch bevor er sie hätte in Sicherheit bringen können? Oder hätte gar seine Apfel darauf fallen gelassen! Oder wäre samt Gepäck

Weitere Kostenlose Bücher