Die Liebe des Kartographen: Roman
Karten würden einmalig werden! Diesem Anliegen â und nichts anderem â würde er sein Leben widmen.
Philip setzte sich auf und starrte aus dem Fenster direkt in das raue Gesicht des Mondes, als würde er eine Reaktion von ihm erwarten. An Schlaf war nun nicht mehr zu denken.
~ 3 ~
A m nächsten Tag war Philip beim ersten Lichtstrahl auf den Beinen. Nach einer kurzen Morgenmahlzeit schulterte er ungeduldig sein Gepäck und ging über den Hof zum Reitstall. Dort sollte er das vom Herzog zur Verfügung gestellte Pferd abholen. Lange Zeit war er gar nicht sicher gewesen, ob er es überhaupt wollte, vor allem angesichts der Tatsache, dass er gar nicht reiten konnte â was der Herzog natürlich nicht wusste. Hatte er in der Vergangenheit hin und wieder längere Distanzen zu überwinden gehabt, dann hatte er die Passage in einer Kutsche vorgezogen. Weder im elterlichen Haus in Stuttgart noch während des Studiums hier in Tübingen hatte sich die Gelegenheit geboten zu lernen, wie man ein Pferd beherrscht. Bisher hatte Philip auch keine Notwendigkeit dazu gesehen. Sich hoch zu Ross fortzubewegen galt in Studentenkreisen â und zu denen hatte er schlieÃlich vor noch gar nicht allzu langer Zeit gehört â als hochnäsig, das Mitfahren in einer Kutsche als unmännlich. Was blieb, war der Marsch zu FuÃ. Das Laufen war Philip gewohnt, seine Beine waren kräftig, und auch mit der Ausdauer hatte er keine Probleme. Würde ein Tier ihn also nicht eher stören als ihm nützlich sein? Letztendlich hatte er sich dann aber doch für das Pferd entschieden. Es sollte sein Gepäck tragen und ihm gleichzeitig bei der Abmessung von Distanzen behilflich sein. Indem er zählte, wie oft der Gaul seinen rechten Vorderfuà aufsetzte, konnte er sehr genau berechnen, welche Entfernung er zurücklegte. GroÃe Abweichungen waren hierbei nicht zu befürchten, es hieÃ, ein gesunder, kräftiger Gaul könne sein Schritttempo wie auch seine Schrittlänge über weite Distanzen unverändert beibehalten, während ein Mensch bergauf oder auch bei Ermüdung eher kürzere Schritte tat.
Der Reitstall lag direkt hinter der Herberge. Dort präsentierte er die herzögliche Anweisung, man möge ihm ein gutes Reitpferd samt Zaum und Sattel übergeben. Auf die Frage, ob er denn schon mit Pferden zu tun gehabt habe und reiten könne, antwortete Philip wahrheitsgemäà mit Nein. Nach einigem Hin und Her zwischen dem Reitstallbetreiber und seinem Knecht bekam er die Zügel eines braunen mittelgroÃen Tieres in die Hand gedrückt. »Wann immer Sie einen Bach oder Teich finden, lassen Sie den Gaul saufen. Alle paar Stunden lassen Sie ihn grasen, âs ist ja schon wieder genügend Grün auf den Wiesen, so dass Sie nicht extra Hafer für tagsüber mitnehmen müssen.«
Philip nickte ungeduldig. Was hielt der Mann ihn mit Lappalien auf? Und was glaubte er eigentlich von ihm? Der Gaul würde schon nicht verhungern oder verdursten.
»Abends sollten Sie schon einen Schöpfer Hafer für ihn bezahlen, Sie haben schlieÃlich eine weite Strecke vor sich. Wenn er schwitzt, reiben Sie ihn mit einem Bündel Gras oder Stroh trocken, damit er bei Gesundheit bleibt. Und wenn er â¦Â«
»Haben Sie vielen Dank für Ihre Erklärungen«, unterbrach Philip, »aber so genau brauchâ ich das alles nicht zu wissen. In jeder Herberge und auch in den Klöstern oder groÃen Haushalten, in denen ich nächtigen werde, wird es wohl jemanden geben, der sich mit Pferden auskennt.« Er schaute dem Gaul, dessen Kopf in seiner Augenhöhe hing, kritisch ins Gesicht. Seine Augen waren dunkelbraun und wach. Versuchsweise klopfte er ihm auf den Hals. Keine Regung folgte. Gut, es schien vom Wesen her nicht sonderlich schwierig zu sein. Dann ging er um das Tier herum und schaute es von allen Seiten kritisch an. Es schien einen guten Eindruck zu machen, trotzdem konnte sich Philip des Gefühls nicht erwehren, den ältesten Gaul im ganzen Stall ausgehändigt bekommen zu haben. Aber was blieb ihm anderes übrig, als zu hoffen, dass die herzögliche Anordnung genügend Eindruck auf den Stallbesitzer gemacht hatte, so dass er ihn nicht übers Ohr haute?
Mit Hilfe des Mannes band er sein Gepäck fest, nahm den Führzügel in die Hand und marschierte vom Hof. Das Pferd trottete folgsam hinter ihm
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