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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Jahr später in Greenvale Castle heiratete, hatte der Magister gesagt, er wünsche ihnen beiden viele solcher glücklichen Tage. Und sollte einmal ein Gewitter über ihnen aufziehen, so möge es eines von jener Art sein wie das, das sie zusammengeführt hatte.
    War die Liebschaft mit Isabella ein solches Gewitter gewesen? Er beschloss, dass es so war. Ein reinigendes Gewitter. Und er schwor sich, Ninas Vertrauen niemals wieder zu missbrauchen. Sie war die Mutter seiner Kinder, hatte gute und schlechte Tage mit ihm durchlitten und ihm bei seinen zahlreichen Unternehmungen und Abenteuern stets den Rücken freigehalten.
    Er stand auf und schaute nach den Kranken. Einer der beiden Beinamputierten klagte, der Stumpf jucke ihn, aber Vitus versicherte ihm, das sei ein gutes Zeichen. Weniger gut stand es um die beiden Matrosen mit den inneren Verletzungen. Sie würden heute oder morgen sterben. Es bereitete Vitus fast körperliche Schmerzen, hilflos mit ansehen zu müssen, wie der Tod nach zwei so jungen Menschen griff, aber er war machtlos. Gottlob war Stonewell da, dem es genauso erging. Zu zweit ertrugen sich ärztliche Niederlagen leichter.
    Den Matrosen mit dem abgerissenen Arm, dem herausgeschlagenen Auge und dem offenen Bruch ging es ein wenig besser. Bei den beiden Letzten der neun Kranken, den unter Ruhr leidenden Matrosen, war keine Besserung festzustellen. Obwohl Creedy, der Decksoffizier, versicherte: »Sir, mit uns wird es schon wieder.«
    Ihnen allen gegenüber gab Vitus sich zuversichtlich, bevor er ihnen weiterhin gute Genesung wünschte und hinauf an Deck stieg.
     
     
     
    McQuarrie hatte in der Nacht tief und traumlos geschlafen. Sein Dienst war so anstrengend, dass er in jeder wachfreien Minute seine Kammer aufsuchte und ein Nickerchen machte. Wenn er wachfrei hatte, war Abbot auf dem Posten, so dass beide sich nur selten zum gleichen Zeitpunkt in der Kammer aufhielten.
    Anders sah es mit Don Pedro aus. Der hatte alle Zeit der Welt, die er nicht selten in der Enge des gemeinsamen Raums verbrachte. So kam es, dass McQuarrie und der Spanier sich des Öfteren begegneten und dabei das eine oder andere Wort miteinander wechselten.
    Don Pedro war zwar in allem das genaue Gegenteil von McQuarrie, aber trotzdem mochte er den Mann aus dem Norden der Britannischen Insel. Was durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte, denn Don Pedro war nicht nur ein angenehmer Plauderer, sondern in seinem gesamten Auftreten sehr rücksichtsvoll.
    Als es vier Glasen an diesem Morgen schlug, gähnte McQuarrie ausgiebig, stellte fest, dass Don Pedro nicht in der Kammer war, und erhob sich, um die Notdurft zu verrichten und die körperliche Reinigung, der er nicht allzu viel Wert beimaß, vorzunehmen. Danach zog er seine Schwerwetterkleidung an und stiefelte an Deck.
    Auf dem Kommandantendeck standen Vitus, Don Pedro und Abbot, wobei Letzterer sich über McQuarries Kommen am meisten freute, weil er eigentlich erst um acht Glasen abgelöst werden sollte.
    »Hau dich hin, Bruder!«, rief McQuarrie gegen den noch immer steifen Wind. »Ich übernehme.«
    »Aye, aye«, antwortete Abbot. »Es gibt nicht viel Neues. Nur dass die verfluchten Dons … äh, Verzeihung, Don Pedro, also dass die Spanier schon wieder ihren Halbmond gebildet haben und kampfbereit sind. Es ist wie verhext. Was muss bloß noch alles passieren, damit die verdammte Sichel sich auflöst?«
    McQuarrie winkte ab. »Verzieh dich.« Doch kaum war Abbot verschwunden, pfiff er gedehnt durch die Zähne. »Ich glaube, wir bekommen auflandigen Wind, was meint Ihr, Gentlemen?«
    Vitus nickte. »Das könnte sein.«
    Don Pedro sagte nichts, aber seine olivenfarbenen Augen weiteten sich vor Schreck.
    McQuarrie fuhr fort: »Wenn das wirklich so ist, und es sieht alles danach aus, wird die Armada unweigerlich ans Ufer getrieben und auf den Sandbänken vor Seeland zerschellen. Dann gute Nacht, Halbmond!«
    Wie gebannt starrten die drei Männer zu den spanischen Galeonen hinüber – und mit ihnen die gesamte englische Flotte. Lord Howard hatte bereits den Befehl zum Angriff gegeben, zog ihn aber angesichts der neuen Entwicklung wieder zurück. Würden die Engländer Zeuge einer alles in den Schatten stellenden Katastrophe werden?
    Sie wurden es nicht.
    Das Wunder geschah.
    Im letzten Moment drehte der Wind und blies die Armada hinaus in die offene See. Der Kelch war noch einmal an ihr vorübergegangen.
    Don Pedro atmete hörbar aus, und selbst Vitus und McQuarrie spürten Erleichterung:

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