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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Das Leben im Kampf zu verlieren, war das eine – jämmerlich vor der Küste zu ersaufen, war das andere. Und der tapferen Spanier nicht würdig.
    »Der Lordadmiral signalisiert den Geschwadern ›Position beibehalten‹!«, rief McQuarrie, der seine Augen überall hatte, plötzlich. »Wartet … Weitere Flaggen steigen am Mast empor: Ich erkenne die Flagge für unser Schiff! Die
Camborne
soll Verwundete übernehmen. Gut und schön, Herr Lordadmiral, machen wir, aber von wem?«
    »Dort, in Westnordwest!«, rief Don Pedro. In der gezeigten Richtung brach eine Regenwand auf und gab zwei Schiffe frei, die Parallelkurs fuhren und sich gegenseitig heftig bekämpften. »Ich glaube, es ist auf unserer Seite die
Santa Maria de Visón
vom Levante-Geschwader. Sie ist nicht stark bestückt, wenn ich es richtig sehe. Höchstens zwanzig Kanonen. Woher sie plötzlich kommt und warum sie nicht im Halbmond segelt, ist mir ein Rätsel.«
    »Vielleicht, weil ihr Captain dem auflandigen Wind ausweichen konnte?«, vermutete Vitus.
    »In jedem Fall scheint es auf unserer Seite die
Dreadnought
zu sein«, rief McQuarrie. »Sie hat sich in Cádiz unter dem Befehl von Thomas Fenner wacker geschlagen, aber in diesem Jahr wird sie von George Beeston geführt. Ich glaube nicht, dass sie Hilfe benötigt.«
    »Militärisch vielleicht nicht, ärztlich schon eher«, sagte Vitus. »Ich habe eine Liste, aus der hervorgeht, dass die
Dreadnought
keinen Wundarzt an Bord hat. Sollte sie also Verletzte haben, müssten wir diese übernehmen. Kein Zuckerschlecken bei dem Wetter.«
    »Egal, wir werden unsere Pflicht tun, wir werden dem Lordadmiral zeigen, was in uns steckt … He, Chock, mach der verdammten Wache Beine, jag sie an die Brassen, wir wollen anluven und bei Beeston nach dem Rechten sehen!«
    Im Näherkommen sahen McQuarrie und Vitus mit kritischer, Don Pedro jedoch mit erfreuter Miene, dass die
Santa Maria
sich höchst achtbar schlug. Ihren Nachteil in der Bestückung glich sie durch seglerisches Können und durch den Einsatz Dutzender Arkebusiere aus, die tödliche Salven auf das englische Schiff feuerten.
    McQuarrie, der in Abwesenheit von Steel die oberste Befehlsgewalt innehatte, sorgte dafür, dass die
Camborne
gefechtsbereit gemacht wurde, und legte sie backbordseitig auf Parallelkurs, wodurch die
Santa Maria
in die Zange genommen wurde. Gleichzeitig gab er Feuererlaubnis, und die
Camborne
zeigte, dass sie nicht nur ein Lazarettschiff war, sondern auch ein Kriegsschiff, dessen Kanonen und Drehbassen sich durchaus Respekt verschaffen konnten.
    Die Scharfschützen in den Masten des Spaniers mussten nun die Feuerkraft ihrer Arkebusen auf zwei Schiffe verteilen, was der
Dreadnought,
die kaum Schützen hatte, einige Entlastung brachte.
    Doch nur ein paar Augenblicke später gelang der
Santa Maria
ein Glückstreffer: Einer ihrer Vierundzwanzigpfünder traf den Bugspriet der
Dreadnought
, riss ihn und das Blindesegel fort, zerstörte Leinen und Stage, was einen Dominoeffekt auslöste und mit dem Fallen des Fockmasts endete.
    Das alles geschah in kürzester Zeit und hatte seine Ursache in der kampferprobten Führung des Spaniers. Vier Männer waren es, die auf dem Achterkastell standen, drei hochgewachsene Gestalten und eine kleine, alle in schweres gelbes Wachstuch gekleidet. Die drei großen Männer brüllten Befehle, was durch das Heulen des Winds nicht zu hören war, sondern nur an ihren Mündern erkannt werden konnte.
    Der kleine Mann rief nichts. Er schien den Kampf nur zu beobachten, wobei er sich unbeholfen bewegte und fast wie ein Blinder wirkte.
    Er kam Vitus bekannt vor.
    McQuarrie jagte ein paar mit Musketen bewaffnete Männer in die Wanten. Sie sollten ebenfalls als Scharfschützen eingesetzt werden und der
Dreadnought
Entlastung bringen, deren Männer mittlerweile nicht nur mit dem Gegner, sondern auch mit dem Wirrwarr aus zerrissenem Tuch und zerfetzten Leinen auf ihrem Vorschiff zu kämpfen hatten.
    Danach ließ McQuarrie mehrere Salven auf den Rumpf der
Santa Maria
feuern, was er jedes Mal mit einem heiseren
»Hooray!«
begleitete, und Don Pedro mit einem bedauernden Blick verfolgte.
    Kapitän Steel erschien auf seinem Kommandantendeck, rülpsend und erheblich schwankend, was die versammelten Gentlemen aber, höflich wie sie waren, der Krängung des Schiffs nach Feuerlee zuschrieben. »Warum hat mich keiner geweckt?«, dröhnte er und machte dazu ein völlig unpassendes, eher erstauntes Gesicht. Der Grund dafür war ein

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