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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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dem Galion stand Muddy und sang aus voller Brust mit, Chock und Ted, die auf dem Hauptdeck das große Beiboot festlaschten, fielen ein, und Dunc, der Veteran, der Taggarts Golddublone in der Schädeldecke trug, war aus der Tiefe des Schiffs zu hören, wo er mit erfahrener Hand den Kolderstab führte.
    Don Pedro wunderte sich noch immer. «Was singen die Männer da?«
    »Es sind Männer von Taggarts Schiff, der
Falcon,
die sich stolz
Falcons
nennen, Don Pedro«, antwortete Vitus. »Sie singen ihr Lied. Und ich singe es gern mit: …
spreads horror and spreads hurt, brave bird, brave bird,
Falcon,
brave bird.
«
    Der Spanier war beeindruckt, und Steel lachte dröhnend. »Don Pedro, falls Ihr es noch immer nicht wisst, die Männer von der Britannischen Insel sind ein ganz besonderer Menschenschlag, eigenwillig, trotzig und zäh, jeder für sich so unüberwindlich wie Eure Armada. Doch nun entschuldigt mich, ich will sehen, ob Abbot mein Schiff auch richtig sturmfest gemacht hat.«
    Als Steel fort war, sagte Don Pedro: »Ein etwas ungewöhnliches Gebaren für einen Schiffsarzt und Conde, das Ihr da eben an den Tag gelegt habt, wenn die Bemerkung gestattet ist.«
    Vitus grinste. »Aber wieso, nur weil ich gesungen habe? Ich bin stolz, mich zu den
Falcons
zählen zu dürfen.« Er öffnete seine Schwerwetterjacke und deutete auf die silberne Spange darunter. »Da, seht.«
    »
Carai!
Ein schönes Stück«, sagte Don Pedro höflich. »Ich bin überzeugt, dass Ihr es zu Recht tragt.« Er räusperte sich und schien weiterreden zu wollen, unterließ es dann aber. Nach einer Weile nahm er einen neuen Anlauf: »Nun, Sir«, sagte er, »weil es ohnehin zum Scheitern verurteilt gewesen wäre und weil ich darüber hinaus an mein Wort gebunden bin, will ich Euch etwas anvertrauen, über das ich eigentlich niemals sprechen wollte.«
    »Ihr macht es spannend, Don Pedro.«
    »Es ist ein heikles Thema. Ich möchte es dennoch anschneiden, weil wir beide uns … äh, nun ja, warum soll ich es nicht sagen: Weil wir beide uns über alle kriegerischen Handlungen hinweg verstehen. Und weil Capitán Taggart mit seiner
Falcon
es war, der sich in Cádiz großmütig zeigte und meine Männer auf der brennenden Galeere nicht töten ließ. Ich will Euch über ein Vorkommnis in Kenntnis setzen, das sich vor wenigen Tagen hier auf dem Schiff ereignete.«
    »Nur heraus damit, Don Pedro.«
    »Ganz so leicht ist es nicht, Ihr könntet Euch gekränkt fühlen, weil der Inhalt Euch in gewisser Hinsicht bloßstellt.«
    »Tut Euch trotzdem keinen Zwang an.«
    »Dann will ich es kurz machen: Eure Gattin hat versucht, mich für einen Handstreich zu gewinnen. Zusammen mit ihr und den Matrosen Manoel und Diego sollte ich die
Camborne
an mich bringen und in den Schutz des Halbmonds segeln.«
    »Ihr solltet was …?« Vitus stand wie versteinert. Er brauchte Zeit, um die Tragweite der Worte zu ermessen.
    »Es ist so, wie ich sagte.«
    In Vitus’ Gesicht begann es zu arbeiten. Zweifel, Abscheu, Zorn, Enttäuschung und wiederum Zweifel – ein Bündel unterschiedlichster Gefühle spiegelte sich darin wider. »Das kann ich nicht glauben.«
    »Und doch war es so. Ich habe Eurer Gattin geantwortet, dass ich mein Ehrenwort gegeben habe, derlei Versuche zu unterlassen, und dass ich mein Ehrenwort niemals breche. Sie wurde daraufhin, äh, sagen wir: sehr temperamentvoll, aber ich blieb bei meiner Ablehnung.«
    Vitus schwieg.
    »Es tut mir wirklich sehr leid, Sir. Vielleicht hätte ich es Euch doch nicht sagen sollen?«
    »Nein, nein, es ist schon gut.« Vitus fühlte sich, als erwache er aus einem schlechten Traum, der sich als bittere Wahrheit erwies. »Wann soll das passiert sein?«
    Don Pedro dachte kurz nach. »Nun, ich denke, vor sechs Tagen. Richtig, am Dienstagabend war es, nach der Schlacht am Portland Bill. Das Abendessen bei Capitán Steel war vorbei. Eure Gattin passte einen Augenblick ab, in dem McQuarrie und Abbot nicht in meiner Kammer waren, und überfiel mich mit ihrem Ansinnen. Wie gesagt, ich lehnte ab.«
    »Ich danke Euch für Eure Offenheit, Don Pedro.« Vitus gelang es, wieder klar zu denken. Ihm fiel ein, dass Isabella an dem Abend zum Zwerg an die Feuerstelle gehen wollte, um ihn für seine Suppe zu loben. Sie war zwar dort gewesen, aber nur, um einen Vorwand zu haben, Don Pedro aufsuchen zu können. Deshalb also hatte ihr »Besuch« beim Zwerg so lange gedauert! Enano, der gewitzte Wicht, hatte sie sofort durchschaut. Aber er, Vitus, hatte ihr

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