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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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ein Wort«, sagte McQuarrie.
     
     
     
    Vier Stunden später an diesem 30 . Juli hatte die
Camborne
sämtliche Schwerverletzten von der
Dreadnought
übernommen, was bei der hohen Dünung eine seemännische Meisterleistung darstellte. Die Schiffe, deren Barkhölzer sich während der ganzen Zeit quietschend und knarrend aneinander gerieben hatten, gingen wieder auf eigenen Kurs, doch Vitus nahm McQuarrie beiseite und bat ihn, beizudrehen. Er habe Wichtiges mit ihm zu besprechen. Noch wichtiger sei jedoch die Versorgung der Verwundeten. Insofern bäte er um etwas Geduld.
    »Aye, aye, Sir«, sagte McQuarrie, dem noch gar nicht bewusst zu sein schien, dass er als Erster Offizier der Nachfolger von Kapitän Steel war.
    Vitus ging hinunter in die Behandlungsräume, wo fünf neue Kranke auf ihn warteten. Auch der treue Stonewell war zugegen. »Sir«, sagte er, »es sind die üblichen Verletzungen: eine abgequetschte Hand, deren Armstumpf bereits in der Aderpresse steckt, ein zerschossenes Schienbein, das der Amputation harrt und so weiter. Bei allem Ernst, es ist auch ein Kuriosum dabei: Einem der Matrosen, sein Name ist Clark, ist von der Seite das Gesäß durchschossen worden. Der
Gluteus maximus
wurde sowohl links als auch rechts durchschlagen. Die Wunden sind groß und hässlich, aber sie dürften heilen, da keine Stoffreste in ihnen zu finden waren. Der Mann wird die nächsten Tage in der Bauchlage verbringen müssen. Ich habe eine entzündungshemmende Salbe appliziert und war eben dabei, einen Verband anzulegen. Ich … ich …« Stonewell presste die Hände auf seinen Magen und krümmte sich. »Verzeihung, Sir, ich …«
    Vitus unterbrach ihn und sagte: »Hört mal, wo wir gerade über den
Gluteus maximus
und das Gesäß sprechen: Könnte es sein, dass Ihr von der Ruhr geschlagen seid?«
    »Oh, Sir.« Stonewell biss die Zähne aufeinander. »Das glaube ich nicht.«
    »Das glaube ich doch! Habt Ihr Fieber?«
    »Nein, ja … Aber, Sir …«
    »Ich glaube, Ihr habt Euch bei Creedy und seinem Leidensgenossen angesteckt. Die Dysenterie schlägt zu, wo sie nur kann. Nun geht und erleichtert Euch. Danach legt Ihr Euch zu Creedy in die Quarantänestation. Ihr seid ab sofort nicht Arzt, sondern Patient.«
    »Sir, ich …«
    »Das ist ein Befehl!«
    Entschuldigungen murmelnd verschwand Stonewell. Vitus wollte sich der neuen Patienten annehmen, wurde aber abgelenkt. In der Tür stand Don Pedro. »Ich habe Stonewell eben gesehen, Sir, er hatte es eilig wie jemand, der sich, äh, dringend entleeren muss. Ich fürchte, er hat die
disentería.
«
    »Das fürchte ich auch, Don Pedro.«
    »Nun, da ich einmal hier bin, könnte ich Euch bei der Versorgung der Verletzten helfen.«
    »Ihr? Mir helfen?« Vitus dachte daran, dass Don Pedro ein Admiral der spanischen Seemacht war, ein hochgestellter Hidalgo, dem es sicher gegen die Natur gehen würde, einfachen englischen Seeleuten, die zudem seine Feinde waren, die Gliedmaßen zu amputieren oder Verbände anzulegen.
    Don Pedro lächelte leicht. »Ich glaube, ich kann Eure Gedanken lesen. Aber nach der Schlacht ist der Krieg vorbei, und der verwundete Soldat ist nicht mehr Feind, sondern nur noch Mensch. Hüben wie drüben.«
    »Ihr mögt recht haben, aber Ihr seid doch selbst noch verletzt?«
    Don Pedro lächelte noch immer. »Habt Ihr es nicht bemerkt? Aus Ali Pascha, dem Osmanenkrieger, ist wieder Don Pedro de Acuña geworden.« Er deutete auf seinen Kopf, und Vitus sah, dass der Verband verschwunden war. »Wer hat Euch die Bandage abgenommen?«
    »Ich selbst.«
    »Wollt Ihr Euer eigener Arzt sein? Davon halte ich nichts. Immerhin, lasst mich einen Blick auf Euren Kopf werfen.« Vitus studierte die fast verheilte Wunde und nickte: »Ein Verband ist nicht mehr vonnöten.«
    »Dann können wir ja anfangen«, sagte Don Pedro.
     
     
     
    Zwei Stunden später hatten der englische Earl und der spanische Hidalgo sämtliche Verletzten behandelt, dafür gesorgt, dass ihnen Pritschen zugewiesen wurden, und dem Zwerg Anweisung gegeben, wer welche Speisen bekommen sollte. Stonewell, dessen Diagnose sich nach näherer Untersuchung bestätigte, hatte fiebersenkende Mittel erhalten und sollte leichte, kräftigende Kost zu sich nehmen.
    »Leider ist die Auswahl an gesunder Nahrung auf einem Kriegsschiff nicht üppig«, seufzte Vitus, als beide wieder im Behandlungsraum waren.
    »Wem sagt Ihr das«, antwortete Don Pedro.
    »Da fällt mir ein: Vielleicht könnte Captain Steel uns aushelfen?

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