Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
band ihn los und saß auf. Sie wollte sich schon an die Verfolgung machen, da fiel ihr ein, dass sie zunächst so tun musste, als müsse sie nach Greenvale Castle zurück. Also ritt sie Richtung Schloss und winkte Stevens zu, der ihr hinterherblickte.
    Sie ritt ein paar hundert Schritte, bis Stevens sie nicht mehr sehen konnte, wendete dann und machte einen großen Bogen um das
Hickory Inn.
Zum Glück gab es in diesem Gebiet nur einen Weg, der nach Süden führte, so dass sie sicher sein konnte, den Schomser und Tante Nina einzuholen, wenn sie nur schnell genug war.
    »Hü, Shorty, hü!«, rief sie, und der kleine Shetlandhengst fiel für kurze Zeit in Galopp. Danach nahm Nella die Zügel etwas kürzer, denn sie wusste nicht, wie weit sie noch reiten musste, und sie wollte Shorty schonen. Aber mit seinen kleinen trippelnden Schritten lief Shorty immer noch schnell, und Nella stellte sich im Sattel auf, um einen besseren Blick nach vorn zu haben. Da! Fast hätte sie aufgeschrien vor Freude. Da vorn waren die beiden ja!
    Sie nahm sich vor, nicht zu nah heranzureiten, um nicht noch einmal entdeckt zu werden. Am besten, sie würde immer eine Wegbiegung zwischen sich und den beiden lassen. Die Gefahr, sie zu verlieren, musste dabei in Kauf genommen werden. Anders ging es nicht.
    Nach einer Weile kam eine lange, gerade Strecke, und Nella musste abwarten, bis der Schomser und Tante Nina sie bewältigt hatten, bevor sie aus ihrer Deckung heraus weiterreiten konnte. Während sie wartete, kam ihr ein Gedanke, der sie beunruhigte. Was sollte sie machen, wenn der Schomser der Tante etwas Böses tat? Sie spürte, dass er etwas im Schilde führte. Aber was? Sie nahm sich vor, in jedem Fall ganz laut zu schreien, wenn es so weit war. Dann würde bestimmt jemand kommen und der Tante helfen. Und die Tante würde den Schomser endlich durchschauen und ihn vom Schloss jagen.
    Der Gedanke gefiel Nella sehr.
     
     
     
    Zur gleichen Zeit befand sich die
Camborne
viele hundert Meilen im Norden zwischen den Orkney-Inseln und den Shetland-Inseln. Sie hielt stetig westlichen Kurs und kreuzte, nachdem das Wetter sich für kurze Zeit gebessert hatte, in eine neue Schlechtwetterfront hinein.
    Alles, was an Deck nicht niet- und nagelfest war, wurde sturmsicher verzurrt, und auch ganz unten im Schiff, wo die Kranken in verschiedenen Kammern neben der Quarantänestation und dem Behandlungsraum lagen, waren herumliegende Gerätschaften weggesperrt worden. Vitus saß mit dem Buch
De morbis
auf einem festverschraubten Stuhl und las darin, als Don Pedro eintrat. Es war das erste Mal, dass sie sich nach dem peinlichen Zwischenfall mit Isabella begegneten.
    »Verzeihung«, sagte Don Pedro, »ich wollte Euch nicht stören. Ich will nur rasch die Verbände kontrollieren. Der Mann mit dem offenen Armbruch hat gottlob keine Wundfäule bekommen.«
    Vitus legte das Buch zur Seite. »Ihr stört nicht, Don Pedro. Im Gegenteil, es ist gut, dass Ihr da seid, so kann ich mich noch einmal für Eure Hilfe bei dem gestrigen, äh, Vorfall bedanken.«
    Don Pedro winkte ab. »Ich habe gern geholfen.«
    Vitus musste daran denken, mit wie viel Takt der Spanier vorgegangen war, nicht nur, dass er Isabella, ohne lange zu fragen, in ihre Kammer geleitet hatte, er hatte ihn auch, ohne mit der Wimper zu zucken, aus seiner beschämenden Lage befreit. »Ich denke, ich bin Euch eine Erklärung für das Verhalten meiner, äh, Frau schuldig. Ich weiß, dass Ihr es nicht für nötig halten werdet, aber ich möchte trotzdem darüber sprechen. Ihr müsst wissen, dass sie eine lange Leidenszeit auf der
Falcon
hinter sich hat …«
    Vitus erzählte ausführlich von den Heimsuchungen und den Demütigungen, die Isabella viele Monate lang hatte erdulden müssen, und wollte auch erwähnen, dass sie für Spanien spioniert hatte, doch dann unterließ er es. Es schien ihm nicht zum Thema zu passen.
    »Jeder Mensch hat sein Schicksal«, sagte Don Pedro ernst. »Meistens kennen wir es nicht, deshalb ist es falsch, vorschnell zu urteilen.«
    »Das sehe ich genauso.« Vitus zögerte, dann sagte er den Satz, den er eigentlich nicht sagen wollte: »Isabella ist nicht meine Frau.« Es verschaffte ihm eine gewisse Erleichterung, das festgestellt zu haben, denn es machte den Auftritt Isabellas für ihn weniger peinlich.
    »Etwas Ähnliches hatte ich mir schon gedacht.«
    »Meine richtige Frau heißt Nina, sie ist ebenfalls Spanierin. Sie ist die Mutter meiner drei Kinder. Ich liebe sie über

Weitere Kostenlose Bücher