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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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lieber.
    »
Mary’s Stool
ist der Platz, wo man schön auf den Kanal gucken kann.«
    »Ist das noch weit?«, fragte Nella.
    »Was sagst du, mein Kind?«
    »Ob das noch weit ist!«
    »Schrei doch nicht so, ich bin ja nicht taub. Nee, nee, weit ist’s nicht. Hinter dem Felsen noch zweihundert Yards, immer dicht an der Steilküste lang, dann bist du da.«
    Nella wollte losreiten, aber der Alte hielt sie zurück: »Du hast nicht zufällig ’nen Penny für ein schönes Stück Bernstein übrig? Ist auch ’ne Fliege drin in dem Bernstein, guck mal.« Er holte aus seinem Beutel einen kleinen Brocken hervor und hielt ihn Nella hin.
    Nella beugte sich vor und sah tatsächlich ein Insekt in dem goldgelben Stück. »Das ist hübsch«, sagte sie, obwohl sie Fliegen eigentlich nicht mochte. »Aber ich hab keinen Penny, ich hab überhaupt kein Geld.«
    »Sagtest du, du hast kein Geld?« Der Alte schniefte. »Na, dann nimmst du den Brocken eben so. Mach’s gut, Kind, und bete mal für den alten Hank.«
    Nella versprach es und ritt hastig weiter. Als sie den Felsen erreichte, rief sie: »Brrr, Shorty!«, und der kleine Shetlandhengst blieb brav stehen. Sie saß ab, denn sie hatte das Gefühl, dass sie jetzt besonders vorsichtig sein musste, und reckte ihren Kopf nur so weit über die Felskante, dass sie etwas sehen konnte.
    Und was sie sah, war schön.
    Schon von ihrer Stelle aus hatte man einen wunderbaren Blick über den Kanal, der an diesem Tag tiefblau schimmerte und kaum Wellen aufwies. Leider waren weit und breit keine Schiffe zu sehen, aber das überraschte Nella nicht. Der Schomser hatte Tante Nina einen Blick auf das Schiff von Onkel Vitus und ihrem lieben Altlatz versprochen, und natürlich hatte er gelogen.
    Wie es schien, dachte auch Tante Nina das, denn sie redete auf den Schomser ein und zeigte dann auf das Wasser und dann wieder auf den Schomser, und der Schomser brachte seinen Braunen ganz dicht an Telemach heran und schlug ihm auf einmal mit aller Kraft auf die Hinterhand, und Telemach stieg steil in die Luft und machte einen Satz nach vorn und war verschwunden.
    Und Tante Nina auch.
    Nella konnte nicht glauben, was sich da vor ihren Augen abspielte. Erst als sie zwei- oder dreimal hingeschaut hatte und ihre Tante noch immer nicht wieder auftauchte, wurde ihr klar, dass sie mit Telemach die Steilküste hinuntergestürzt war.
    Nella begann bitterlich zu weinen.

[home]
    Der Doppelgänger Don Pedro
    »Ich bin Don Pedro de Acuña, Admiral Seiner Allerkatholischsten Majestät Philipps II . und stellvertretender Befehlshaber des Guipúzcoa-Geschwaders aus dem Baskenland. Erkennt mich jemand von euch?«
    V itus war der Mund wie mit Brettern vernagelt. Er starrte auf die vor ihm liegende Isabella und konnte es nicht fassen. Was auch immer sie oben auf dem Kommandantendeck gewollt haben mochte, sie hatte sich in den feindlichen Schuss geworfen, um ihn zu schützen. Sie hatte ihr Leben für ihn eingesetzt. Wie sehr musste sie ihn lieben, dass sie das getan hatte!
    Und er hatte sie von sich gestoßen.
    Wie erbärmlich und selbstgerecht er doch gewesen war.
    Doch reuige Gefühle nützten jetzt wenig, er riss sich zusammen und tat das Naheliegendste, indem er die beiden Einschusslöcher mit Kompressen abdeckte und einen Verband anlegte. Nur ihre Augen, ihre Nase und ihr Mund waren danach noch zu sehen. »Isabella, hörst du mich?«
    Er zog ihr ein Augenlid hoch und hielt zwei Finger an ihre Halsschlagader.
    Ja, sie lebte noch.
    Wieder versuchte er, die Mauer ihrer Besinnungslosigkeit zu durchbrechen und sie in die Wirklichkeit zurückzuholen, doch es gelang nicht. Er überlegte, ob er es mit einem stark riechenden Salz oder einem Guss Wasser versuchen sollte, aber er unterließ es. Er wollte sie keinen Augenblick allein lassen. »Isabella! Isabella?«
    Hatte sie sich eben nicht ganz leicht bewegt?
    »Isabella, so komm doch zu dir! Bitte!«
    »… Lieb …«
    »Hast du etwas gesagt?«
    »… Liebster.«
    Sie hatte gesprochen. Gott sei Lob und Dank, sie hatte gesprochen! Alles andere, ihr Stolz und ihre Widersprüchlichkeit, war jetzt unwichtig. Ihr Plan, die Armada vor Taggarts
Falcon
zu warnen – egal. Ihr Plan, mit Hilfe von Don Pedro die
Camborne
an sich zu bringen – egal. Ihr Plan, Schlossherrin auf Greenvale Castle zu werden – egal, egal, egal. Sie war eine sprunghafte, leidenschaftliche, außergewöhnliche Frau, und er würde sie nie verstehen. Aber sie lebte.
    »Ich … sterbe.«
    Er wollte aufbegehren,

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