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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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verdammt.« McQuarrie verzog schmerzvoll das Gesicht und krümmte sich nach vorn, doch er richtete sich rasch wieder auf. »Der verdammte Orkan hat uns tagelang aufgehalten. Aber nicht nur uns, Sir, auch die Dons dürften nicht viel weiter gekommen sein.«
    »Was hattet Ihr da eben, McQuarrie?«
    »Nichts, Sir, gar nichts! Bin gleich wieder da.« McQuarrie lief in Windeseile zu seiner Kajüte und verschwand darin.
    Vitus war nachdenklich geworden. Er wartete einige Augenblicke und folgte McQuarrie dann. Ohne anzuklopfen, betrat er den Kapitänsraum und hörte blubbernde Geräusche der Darmentleerung. McQuarrie saß hinter dem Paravent auf dem Nachtstuhl und erleichterte sich.
    Vitus wartete, bis er fertig war und wieder hervorkam.
    Als McQuarrie ihn sah, blieb er stehen und sagte nicht eben freundlich: »Ich habe Euch nicht anklopfen hören, Sir.«
    »Das liegt daran, dass ich nicht angeklopft habe«, erwiderte Vitus kühl. »Setzt Euch da auf den Stuhl neben dem Kartentisch.« Er schaute so grimmig drein, dass McQuarrie sofort gehorchte. »Aye, aye, Sir.«
    Vitus legte ihm die Hand auf die Stirn und stellte fest: »Ihr habt Fieber. Wie steht es mit Schwindelgefühlen, Übelkeit, Krämpfen? Wie lange habt Ihr schon die Beschwerden? Wie sieht euer Stuhl aus, ist Blut darin?«
    Nachdem McQuarrie alle Fragen beantwortet hatte, stand für Vitus die Diagnose fest: Der Nachfolger von Kapitän Steel hatte sich die Dysenterie eingefangen – wahrscheinlich bei dem Gespräch mit Creedy, dem er in der Quarantänestation die Hand gegeben hatte. Das lag zwei Tage zurück und entsprach der Erfahrung, die besagte, dass die Krankheit in der Regel zwei bis fünf Tage nach der Ansteckung ausbrach. »Es tut mir leid, McQuarrie, Ihr habt die Ruhr, und Ihr habt sie deshalb, weil Ihr meine Anordnung, die Quarantänestation auf keinen Fall zu betreten, nicht befolgt habt. Jetzt ist es umgekehrt: Jetzt muss ich Euch befehlen, sie aufzusuchen, damit Ihr niemanden infiziert. Auch so ist leider die Wahrscheinlichkeit groß, dass Ihr es bereits getan habt. Ich darf also bitten.«
    McQuarrie streckte sich. »Mit Verlaub, Sir, das geht nicht. Ich bin der Captain und für das Schiff verantwortlich. Schaut hinaus nach Süden, wo sich schon wieder gewaltig was zusammenbraut, dann wisst Ihr, dass der heutige Tag nur ein blaues Loch in dem Orkan ist, den wir bislang durchmessen haben. Das Schiff braucht mich, es braucht einen Kommandanten, der sich in Seemannschaft und Nautik auskennt, und da der arme Abbot tot ist, gibt es niemanden mehr außer mir, der dazu in der Lage wäre.«
    Angesichts der Weigerung McQuarries musste Vitus daran denken, dass der drahtige Schotte schon einmal Schwierigkeiten gemacht hatte, als er ihn bat, die
Santa Maria
zu verfolgen. Damals hatte er zum letzten Mittel greifen müssen und den Earl of Worthing herausgekehrt. Das wollte er diesmal vermeiden, denn er ging ungern mit seinem Titel hausieren. »Die Isolation eines Kranken kann nicht von der Entwicklung des Wetters abhängig gemacht werden, McQuarrie, und Ihr seid zweifellos krank. Niemand bedauert das mehr als ich.«
    »Und wer soll das Schiff führen, Sir?«
    »Das wird sich finden. Bitte folgt mir.« Vitus ging einfach voran, in der Hoffnung, McQuarrie würde ihm folgen. Gott sei Dank tat er es wirklich, wenn auch widerstrebend.
    Unten in der Quarantänestation wies er dem Kranken eine Pritsche zu, hieß ihn, sich gründlich zu waschen, und gab ihm saubere Kleidung. »Bleibt in jedem Fall hier und spielt nicht den Helden, McQuarrie, ein Schiff voller Dysenterie-Patienten ist dem Untergang geweiht.«
    »Aye, aye, Sir.«
    Der Widerstand McQuarries schien gebrochen. Vitus atmete auf. »Wen habt Ihr in den letzten Tagen körperlich berührt?«
    »Bei dem Orkan, Sir?« McQuarrie überlegte, während er sich wusch. »Wenn ich es recht bedenke, niemanden.«
    »Hat jemand in der Zeit Euren Nachtstuhl benutzt?«
    »Meinen Nachtstuhl? Das wäre ja noch schöner, Sir.«
    Einigermaßen beruhigt überließ Vitus McQuarrie seinem Schicksal und wandte sich Stonewell zu, der noch immer sehr schwach war, aber offenbar über eine gute Leibeskonstitution verfügte. »Nun, wie geht’s, Stonewell?«
    »Besser, Sir. Ich bin gestern sogar einmal aufgestanden, aber der Sturm hat mich sofort wieder von den Beinen gerissen.« Der Assistent grinste, was Vitus als gutes Zeichen wertete. »Kümmert Euch, wenn es die Kraft erlaubt, ein wenig um den Captain. Ihm stehen schwere Tage

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