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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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früh in der Dämmerung mit dem Beiboot zur
Santa Maria
rudern. Du müsstest die
Camborne
zu dem Zweck bis auf siebenhundert oder achthundert Yards an den Strand heranbringen. Er heißt hier Streedagh-Strand, wie mir einer der Matrosen berichtet hat. Das Ganze wird nicht leicht, aber morgens ist der Wind meistens ablandig, und die Gefahr, an der Küste zu zerschellen, ist somit geringer.«
    Don Pedro schob sich den letzten Bissen in den Mund. »Wenn ich dich recht verstehe, willst du dich also als Engländer von einem vermeintlich spanischen Schiff aus an Land rudern lassen und deinen Freund besuchen? Wenn das mal gutgeht.«
    »Ich werde meinem Freund nicht als Engländer begegnen, sondern als spanischer Admiral.«
    »Wie bitte?« Don Pedro blickte verständnislos.
    »Vorausgesetzt, du bist so freundlich und leihst mir deine Admiralskleidung. Sie ist durch deinen Schiffbruch zwar etwas ramponiert, aber immer noch ansehnlich genug, um damit gehörig Respekt einzuflößen. Deine Oberschenkelhose könnte mir etwas zu kurz sein, weil du kleiner bist als ich, aber das dürfte in der Morgendämmerung kaum auffallen. Wenn du erlaubst, werde ich als Admiral Don Pedro de Acuña die
Santa Maria
besteigen und nach meinem Freund suchen.«
    Don Pedro fehlten die Worte.
    »Die Gefahr, dass die Besatzung meine Identität anzweifelt, ist gering einzuschätzen, weil sie dich kaum kennen dürfte. Du kommst von der
San Salvador,
einem Schiff des Guipúzcoa-Geschwaders, die Offiziere und Mannschaften der
Santa Maria
dagegen gehören dem Levante-Geschwader an. Es wäre schön, wenn Manoel und Diego mich hinüberrudern könnten, denn sie sind Spanier, was meinen Auftritt noch glaubwürdiger machen würde. Die Gefahr, dass sie mich verraten, halte ich nicht für groß, weil sie jetzt englische Matrosen sind und ihren Eid auf die Königin geleistet haben.«
    Don Pedro kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. »Du hast wirklich an alles gedacht. Am liebsten würde ich mitkommen.«
    »Das würde ich dir nicht raten. Die Sache ist gefährlich. Die Iren kennen als Strandräuber keine Gnade. Jedes Schiff, das an ihrer Küste strandet, rauben sie erbarmungslos aus, und die erschöpfte Besatzung machen sie einen Kopf kürzer. Gleiches gilt natürlich für die englischen Truppen, die Irland besetzt halten: Sie warten nur auf entkräftete, hilflose Spanier, um ihnen den Garaus machen zu können. Bleibe also besser auf der
Camborne,
sie braucht dich dringend bei dieser Aktion.«
    »Scheint, dass du recht hast.«
    »Wirst du mir also helfen?«
    Don Pedro grinste. »Was bleibt mir anderes übrig. Und wenn du schon meine Admiralskleidung anziehen willst, dann besorg dir noch ein großes Barett, das möglichst bis über die Ohren reicht.«
    »Warum das?«
    »Weil es keine blonden spanischen Admirale gibt.«
    »Werde ich tun!«
    Beide gaben sich die Hand.
     
     
     
    Am Montagmorgen, noch vor dem ersten Hahnenschrei, ließ Vitus sich als Admiral Don Pedro de Acuña an Land rudern. Neben Manoel und Diego, die sich in die Riemen legten, waren noch Chock, Muddy, Huck und Ted mit dabei, alle vier mit mehreren schon geladenen Musketen bewaffnet. Sie lagen auf dem Boden des Boots, um nicht gesehen zu werden.
    Nur langsam näherten sie sich der
Santa Maria
. Das Schiff lag schräg auf der Steuerbordseite und war durch die Ebbe trockengefallen. Grau-verschwommen grüßte im Morgenlicht ihr Heck, und Vitus fiel auf, dass die große Laterne darüber nicht brannte.
    Manoel und Diego ruderten mit aller Kraft, doch sie konnten nicht verhindern, dass ihr Boot durch die Strömung abgetrieben wurde. Vitus schätzte, dass der Landungspunkt vier- bis fünfhundert Yards vom Ziel entfernt sein würde. »He, Ted!«
    »Sir?«
    »Komm hoch und sperr mal die Augen auf. Kannst du irgendwelche Aktivitäten auf der
Santa Maria
entdecken?«
    Ted spähte angestrengt und sagte dann: »An Deck ist niemand zu sehen, Sir, aber am Rumpf scheinen ein paar Männer zu arbeiten. Sie sind schlecht wahrzunehmen, weil sie sich vor dem dunklen Hintergrund kaum abzeichnen.«
    »Kannst du erkennen, wie viele es sind?«
    »Schwer zu sagen, aber bestimmt nicht mehr als eine Handvoll, Sir. Sie versuchen, geborstene Planken zu erneuern.«
    »Hm.« Vitus fasste sich weiter in Geduld. Ein Schiff wie die
Santa Maria
hatte ein paar hundert Männer an Bord, und er fragte sich, ob alle außer den paar Arbeitern am Rumpf noch unter Deck schliefen, doch dann verwarf er den Gedanken. Viel wahrscheinlicher schien

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