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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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geschleppt. Er und seine Kameraden hätten nur dadurch überlebt, dass sie abkommandiert worden waren, um an Land eine Latrine einzurichten. Nun versuchten sie, das Schiff wieder flottzumachen. Die Hoffnung, es zu schaffen, sei nicht sehr groß, aber vielleicht würden die Furiere ja doch noch zurückkommen, und irgendetwas müsse man ja machen.
    »Heißt das, niemand ist im Augenblick an Bord?«, fragte Vitus.
    »Niemand, Admiral.«
    Vitus versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Bist du sicher?«
    Eduardo zuckte mit den Schultern.
    »Ich werde mir selbst ein Bild machen. Ihr bleibt hier und ruht euch aus. Das Schiff ist ohnehin verloren. Was aus euch wird, werden wir sehen.«
    »Jawohl, Admiral. Könnt Ihr uns nicht auf Euer Schiff mitnehmen?«
    »Wie gesagt, wir werden sehen. Manoel und Diego, ihr bleibt ebenfalls hier und passt auf, dass Eduardo und seine Männer sich auch wirklich ausruhen.« Vitus zwinkerte vielsagend, und die beiden verstanden: Sie sollten die Überlebenden bewachen.
    Er ergriff ein am Rumpf herunterhängendes Tau und hangelte sich empor, wobei er hoffte, keine allzu schlechte Figur zu machen. Es lag schon einige Zeit zurück, dass er derartige Kletterpartien gemacht hatte.
    Oben an Deck fühlte er sich an den Anblick auf der
Camborne
erinnert. Nichts befand sich mehr da, wo es einmal gewesen war. Er überlegte, wo er seine Suche am besten beginnen solle, und entschied sich für die Kammern unter dem hohen Achterkastell. Sie waren den Offizieren vorbehalten, und da der kleine Gelehrte ein studierter Mann war, hatte er sicher einen entsprechenden Raum bewohnt. Er suchte die Kammern systematisch ab, wobei er wiederholt »Magister!« rief, doch es war, als brülle er gegen den Wind. Wo er auch nachschaute, nirgendwo fand sich eine Spur. Ihm fiel ein, dass der Magister verletzt worden war und demzufolge vielleicht im Bauch des Schiffs steckte, dort, wo die ärztliche Versorgung vorgenommen wurde, aber er fand weder den Magister noch einen solchen Ort. Stattdessen begegneten ihm überall nur Chaos und Zerstörung und – Tote. Bei jeder Leiche, die von kleinerer Gestalt war, sank ihm das Herz, doch der Magister war nicht dabei. Vitus begann an seinem Verstand zu zweifeln. Er hatte doch genau gesehen, dass der Magister auf dem Achterkastell von einer Kugel getroffen worden war! Wo also war der kleine Gelehrte?
    In seiner Verzweiflung begann er, ihn auf Lateinisch zu rufen, denn er wusste um seine Vorliebe für die Sprache der Wissenschaft. Er rief:
»Hic Vitus gaudium magnum!«,
was so viel wie »Hier ist Vitus, die Freude ist groß!« heißen sollte.
    Natürlich war das sinnlos, und er schalt sich dafür. Deshalb begann er seine Suche von vorn und beschränkte sich darauf, »Magister!« zu rufen.
    Umsonst, umsonst, umsonst.
    Er konnte nicht den ganzen Tag auf seine Nachforschungen verwenden, am Strand warteten die Überlebenden der
Santa Maria
und Manoel und Diego, und im Beiboot warteten Chock, Muddy und Ted, und auf der
Camborne
warteten Don Pedro, der Zwerg, die Kranken und sämtliche Männer der Besatzung.
    Er konnte die Rückreise nicht länger hinauszögern, nicht wegen eines einzigen Mannes, der überdies unauffindbar war.
    Er kämpfte um Haltung. Es half nichts. Er musste zurück. Er nahm das erstbeste Seil, das vom Rumpf herabhing und kletterte daran nach unten. Erst als er im Sand angekommen war, merkte er, dass er auf der falschen Schiffsseite stand. Er umrundete den Bug, um zu den wartenden Männern zu gelangen, doch ein leises Geräusch ließ ihn stehen bleiben. Er blickte sich um. Niemand war zu sehen. Gerade wollte er weitergehen, da erklang das Geräusch wieder. Es hörte sich an wie ein Seufzen, das manche Schläfer von sich geben.
    Doch woher kam es?
    Eine Möwe kreischte über ihm im Flug, aber sie konnte nicht die Urheberin des Geräusches sein. Dennoch schaute er nach oben. Und was er sah, war ein Anblick, den er zeit seines Lebens nicht vergessen würde: Im Netz unter dem Bugspriet, in zwanzig Fuß Höhe, lag ein Mann. Ein kleiner Mann. Er lag da mit angelegten Armen, den Kopf nach vorn gewandt, und sein Gesicht zeigte nach unten.
    Es war der Magister.
    Vitus musste an sich halten, um seine Freude nicht herauszuschreien. Er hatte seinen Freund gefunden! »Magister«, rief er. »Kannst du mich hören? So hör doch! Ich bin hier unten, ich komme hoch und hole dich da raus! Sag doch etwas! Lebst du überhaupt noch? He, Magister, lebst du überhaupt

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