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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Deck zu den Kranken begeben, um mit ihnen den Herrn zu loben und um Genesung zu beten.
    McQuarrie ging es nicht einen Deut besser. Um es mit seinen Worten zu sagen »schiss er sich die Gedärme aus dem Arsch«, und Stonewell hatte einen Rückfall bekommen, vielleicht, weil er von allen am stärksten unter der Seekrankheit litt. Vitus sprach mit beiden eine kurze Fürbitte und verließ die Quarantänestation.
    Die Kranken im Behandlungsraum und den angrenzenden Kammern betrachteten ihn aus hohlen Augen. Es waren ihrer noch immer mehr als genug, und Vitus sah, wie elend sie sich fühlten und wie sehr sie einer Aufmunterung bedurften. Deshalb sprach er nicht wie beabsichtigt von Gott und seiner Güte und Gnade, sondern machte ihnen mit allgemeinen Worten Mut, indem er ihnen sagte, der Sturm sei überwunden, die Heimat sei nahe. Vom Zustand der
Camborne
sagte er nichts.
    Doch alle Kranken waren erfahrene Seeleute, und was die fortwährenden Pumpgeräusche zu bedeuten hatten, wussten sie nur zu gut.
    »Lasst euch nicht unterkriegen, Männer!«, rief er. »Strengt euch an und werdet gesund, oder wollt ihr als Sieche den Fuß auf die Heimaterde setzen?«
    So und ähnlich redete er eine ganze Weile, und während er das tat, bemerkte er nicht, dass der Seegang weiter nachließ und der Wind schwächer wurde.
    Er wollte gerade zum Schluss kommen, als Muddy in der Tür erschien, grüßte und meldete: »Empfehlung vom Captain, Sir, er bittet Euch aufs Kommandantendeck.«
    »Ich komme.« Vitus wünschte seinen Anbefohlenen gute Besserung und machte sich daran, über die vielen Decks den höchsten Punkt der
Camborne
zu erklimmen.
    »Ich wollte dir etwas zeigen«, sagte Don Pedro und wies mit der Linken nach Backbord. »Kannst du es erkennen?«
    Vitus spähte in die angegebene Richtung. »Land«, sagte er. »Die Umrisse einer Küste. Ich glaube nicht, dass es schon England ist.«
    Don Pedro lächelte fein. »Da hast du zweifellos recht. Es ist, wenn Steels Karten stimmen und meine Berechnungen mich nicht trügen, die Donegal-Bucht auf der Ostseite Irlands. Aber deshalb allein habe ich dich nicht heraufgebeten. Wenn du genauer hinsiehst, entdeckst du noch mehr.«
    Vitus schirmte die Augen ab. »Drei Schiffe!«, platzte er heraus. »Sie scheinen gestrandet zu sein. Sie sind schwer auszumachen, weil sie ziemlich weit auseinanderliegen und keine Segel tragen. Wahrscheinlich ist es ihnen wie uns ergangen, und sie haben ihre Masten verloren. Meinst du …?«
    »Ja«, sagte Don Pedro, »das meine ich. »Ich weiß nur nicht, welches der Schiffe die
Santa Maria de Visón
ist.«
    »Dann lass Ted mit seinen scharfen Augen ins Krähennest steigen, sag ihm, wir suchen das Schiff, das am Heck das Kreuz
Sant Jago de Compostela
trägt.«
    Gesagt, getan. Wenig später meldete Ted, dass es das mittlere Schiff sein müsse, es sei das einzige mit einem reichverzierten Kreuz unter der Hecklaterne.
    »Está bien!«,
rief Don Pedro, und es bedurfte keiner Übersetzung, um zu erkennen, dass er zufrieden war.
    Vitus wusste nicht, was bei ihm überwog: die Freude darüber, dass die
Santa Maria
trotz aller Fährnisse gefunden worden war, oder der Zweifel, ob es ihm gelingen würde, den Magister zu treffen.
    »Was grübelst du?«, fragte Don Pedro.
    »Ach, nichts. Ich weiß nur nicht, wie ich den Magister vom Schiff holen soll – falls er überhaupt bereit ist, mitzukommen.«
    »Ich könnte die
Camborne
etwas näher heranbringen, aber ich weiß nicht, ob es dir etwas nützt?«
    »Ich weiß es auch nicht, Pedro. Ich gehe bis zum Dunkelwerden unter Deck, vielleicht fällt mir etwas ein.«
     
     
     
    Nach einem einfachen Abendessen, das Vitus und Don Pedro in Steels Kajüte eingenommen hatten, fragte der Spanier: »Was willst du mir sagen, mein Freund? Ich sehe es dir an, dass du etwas vorhast, es aber nicht aussprechen magst.«
    Vitus wischte sich den Mund und rang sich ein Lächeln ab. »Es ist so, wie du sagst. Ich habe hin und her überlegt, wie ich unbemerkt an die
Santa Maria
herankomme, aber mir ist nichts eingefallen. Es geht nicht.«
    Don Pedro riss die Augen auf. »Heißt das, du willst dein Vorhaben aufgeben?«
    »Nein.«
    »Nein? Ich verstehe nicht …«
    »Ich will mein Vorhaben durchführen und dabei durchaus bemerkt werden – als Spanier.«
    Don Pedro lachte. »Du machst Witze.«
    »Keineswegs. Zunächst machen wir aus der
Camborne
ein spanisches Schiff, indem wir die spanische Flagge am Mast auswehen lassen, und dann lasse ich mich morgen

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