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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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ihm, dass die Schiffsführung Trupps zusammengestellt hatte, die Lebensmittel von der Landbevölkerung besorgen sollten. Aber dazu waren nicht mehr als ein, zwei Dutzend Mann nötig. Wo war der Rest?
    Nach einer kleinen Ewigkeit stieß der Bug des Beiboots endlich in den Ufersand. Vitus sprang als Erster an Land und verlor fast das Gleichgewicht. Er war auf etwas Hartes getreten. Er blickte nach unten und sah etwas schimmern. Es war – Gold!
    Er bückte sich und fasste zu. Es war ein Gegenstand. Eine goldene Kette. Wie kam eine solche Kostbarkeit in den Sand? Er überlegte noch, da hörte er Manoel hinter sich: »Sir, hier!«
    Er fuhr herum und sah, dass der Spanier einen Degen in der Hand hielt. »Woher hast du den?«
    »Lag im Sand, Sir, wie die Kette.«
    »Großer Gott!« Langsam dämmerte es Vitus, welche Katastrophe sich hier abgespielt hatte. Die
Santa Maria
war vor einigen Tagen im Sturm an die Küste geworfen worden, sie war auf Grund gelaufen und hatte sich nicht mehr freisegeln können, da der Wind direkt aus Westen kam. Brecher auf Brecher hatte auf ihren Rumpf eingeschlagen, und ihn teilweise zerstört. Die Entfernung bis zum rettenden Strand war für die Schiffbrüchigen so weit wie die zum Mond gewesen. Dennoch mussten viele versucht haben, ihn zu erreichen – auch Offiziere, die genauso wie alle anderen ertrunken waren. Und dabei die goldenen Attribute ihres Standes verloren hatten.
    Vitus widerstrebte es, aber der Zweck heiligte die Mittel, er hängte sich die Goldkette um den Hals und schnallte sich den Degen um. »Kommt, Männer.«
    Während sie am Strand zu dem havarierten Schiff gingen, sahen sie angetriebene Leichen, das Gerippe eines Boots und noch mehr Preziosen im Sand, darunter auch einige goldene Dukaten, aber Vitus befahl Manoel und Diego, die Finger davon zu lassen, und vertröstete sie auf den Rückweg.
    Je näher sie dem Schiff kamen, desto mehr wurde es Vitus zur Gewissheit, dass die
Santa Maria
ein Wrack war. Sie reparieren zu wollen, war hoffnungslos. Wie verzweifelt mussten die Männer sein, die es dennoch versuchten!
    Als sie auf Rufweite herangekommen waren, ging es wie ein Ruck durch die Arbeitenden. Einer von ihnen hatte Vitus bemerkt. Er rief etwas, sie schlossen sich zusammen und starrten den Ankömmlingen furchtsam entgegen.
    Vitus ließ Manoel und Diego, die beide eine geladene Muskete über der Schulter trugen, hinter sich und ging noch ein paar Schritte vor. Dann blieb er stehen und gab den Männern der
Santa Maria
Gelegenheit, ihn zu betrachten.
»Buenos días, marineros«,
sagte er in akzentfreiem Spanisch und dankte gleichzeitig seinem Schöpfer dafür, dass er achtzehn Jahre seiner Jugend in einem spanischen Zisterzienserkloster verbracht hatte. »Ich bin Don Pedro de Acuña, Admiral Seiner Allerkatholischsten Majestät Philipps II . und stellvertretender Befehlshaber des Guipúzcoa-Geschwaders aus dem Baskenland. Erkennt mich jemand von euch?«
    Der Mutigste unter den Matrosen traute sich zu antworten: »Leider nein, Admiral.«
    Es war genau die Antwort, die Vitus hören wollte. Spätestens jetzt war er ganz sicher, dass seine Maskerade niemandem auffallen würde. Mein Schiff, die
San Juan de Córdoba,
liegt da draußen.« Den Schiffsnamen hatte er mit Bedacht gewählt, da es in der Armada mindestens sechs Einheiten gab, die
San Juan
hießen, oder deren Name mit
San Juan
begann. Niemand würde auf die Idee kommen, dass es die
San Juan de Córdoba
nur in seiner Phantasie gab. »Sie ist eine Prise, die ich vor zwei Jahren den Engländern abgejagt habe. Offenbar hatten meine Männer und ich mehr Glück mit dem Wetter als ihr. Nicht wahr, Leute?«
    Manoel und Diego nickten eifrig.
    »Wo sind die anderen Mannschaften? Ihr seid doch nicht die einzigen Überlebenden?«
    Der Mutige wollte antworten, aber Vitus kam ihm zuvor: »Wie heißt du?«
    »Eduardo.«
    »Gut, Eduardo. Wo sind die anderen?«
    Gestenreich erklärte Eduardo, dass von den vierhundertdreißig Männern etwa zwanzig von Don Francisco de Marcos, dem Capitán, ausgeschickt worden seien, um bei den umliegenden Bauern Vorräte zu beschaffen. Es solle in der Nähe ein Dorf namens Grange geben. Das sei vor drei Tagen gewesen. Vor zwei Tagen sei das Schiff in der Nacht überfallen worden, von wem, wisse er nicht, aber die Angreifer hätten sämtliche Decks durchkämmt und alles niedergehauen, was sich ihnen entgegenwarf. Anschließend hätten sie geplündert und das Wenige, was noch von Wert war, von Bord

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