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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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bin ich Engländer und anglikanischen Glaubens.«
    »Damals fühltest du dich ganz als Spanier. Du hast auf Spanisch gebetet, auf Spanisch gesungen und auf Spanisch um die Vergebung deiner Sünden gefleht. Versetze dich doch in die Zeit zurück. Es war eine schöne Zeit, das hast du immer wieder gesagt. Kannst du mich nicht ein wenig verstehen?«
    »Philipp will ganz England seinen Willen aufzwingen, will es zu einer seiner Kolonien machen und unsere Königin absetzen, wahrscheinlich sogar ermorden lassen.«
    »Nachdem diese Maria Stuart ermorden ließ.«
    »Die wiederum mit Philipps Wissen in das Babington-Komplott verstrickt war, um Elizabeth zu beseitigen.«
    Der Magister seufzte. »Auf dieser Welt sollte überhaupt niemand beseitigt werden, das fünfte Gebot gilt sowohl für Katholiken wie für Anglikaner. Elizabeth hätte Maria Stuart niemals enthaupten lassen dürfen. Das ist Königsmord, der schlimmste Mord, den die Jurisprudenz kennt.«
    »Aber noch lange kein Grund für Philipp, England zu überfallen. Schlimm genug, dass er die Eingeborenen in Neu-Spanien abschlachten lässt. Übrigens auch unter dem Vorwand, sie zum katholischen Glauben bekehren zu wollen.«
    Der Magister erhob sich. »Ich glaube nicht, dass Hawkins, Cabot, Frobisher und andere Engländer edler gehandelt haben, als sie nordamerikanische Indianer töteten. Töten ist immer unrecht. Die einzelnen Nationen haben einander da nichts vorzuwerfen. Was zählt, ist die Heimat, in der man aufgewachsen ist.«
    Vitus’ Blick wurde eisig. »Du willst England – und mir – also wirklich den Rücken kehren?«
    »Ich muss es – altes Unkraut. Stell dir vor, du wärst in meiner Lage. Würdest du dich nicht auch für deine Wurzeln entscheiden? Im Übrigen ist es keinesfalls so, dass von zwei Kontrahenten immer nur einer das Recht auf seiner Seite hat. Einen Ausschließlichkeitsanspruch darauf hat niemand, niemand außer dem Allmächtigen über uns. Lassen wir ihn entscheiden. Er wird wissen, was zu tun ist, und der richtigen Partei den Sieg schenken.«
    »Das heißt, alles, was wir gemeinsam durchlebt und durchlitten haben, zählt auf einmal nichts?
    »Doch, natürlich. Das ist es ja gerade, was es mir so schwermacht. Aber … aber ich kann nicht anders.«
    »Ist das dein letztes Wort?«
    »Ja.« Der Magister streckte langsam die Rechte aus, doch Vitus versagte ihm den Handschlag.
    »Nun gut. Leb wohl, mein Freund. Ich habe befürchtet, dass es so kommen würde.«
    Mit hängenden Schultern kehrte der kleine Mann ins Schloss zurück.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    In der darauffolgenden Nacht lag Vitus schlaflos neben Nina im Bett, denn das Gespräch mit dem Magister ging ihm nicht aus dem Kopf. Es belastete ihn. Der kleine Gelehrte hatte einige Dinge gesagt, die nicht von der Hand zu weisen waren.
    Und dennoch: Was blieb, war die Tatsache, dass er fortwollte, um einen unrechtmäßigen Überfall auf England zu unterstützen – und dabei seinen besten Freund im Stich ließ.
    Was war nur in ihn gefahren?
    Vitus wälzte sich herum. Er brauchte jemanden, mit dem er darüber reden konnte, aber Nina schlief tief und fest.
    »Was ist denn, Liebster?«
    »Oh, ich dachte, du schläfst.«
    »Du verströmst eine derartige Unruhe, wie soll ich da schlafen?«
    »Tut mir leid.«
    Nina strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Wenn ich schon wach bin, kannst du mir auch sagen, was mit dir los ist.«
    »Ich habe mich mit dem Magister gestritten.«
    »Du hast was …?«
    »Ja, ich hatte Streit mit ihm.«
    »Aber ihr wart doch immer ein Herz und eine Seele?«
    »Jetzt sind wir es nicht mehr.« Vitus erzählte, was zwischen ihnen vorgefallen war, wobei er sich darauf beschränkte, die Treulosigkeit des Magisters heftig zu beklagen.
    Nina starrte währenddessen hinauf zum Stoffdach des Pfostenbetts und sagte nichts.
    »Hast du mir eigentlich zugehört?«
    »Ja, Liebster, und ich habe mir meine Gedanken gemacht. Ich kann dich und deine Enttäuschung verstehen. Aber ich kann auch den Magister verstehen. Wir Spanier sind ein stolzes Volk und vergessen unsere Herkunft niemals.«
    »Fängst du jetzt auch noch an?« Vitus hatte das Gefühl, ihm würde ein Dolch in den Rücken gestoßen.
    »Nein, beruhige dich. Ich finde nur, dass es Situationen im Leben gibt, die nicht einfach mit einem Dafür oder Dagegen gelöst werden können. In jedem Fall solltest du die Tür nicht hinter ihm zuschlagen. Eure Freundschaft darf nicht zerbrechen.«
    »So, meinst du.« Vitus

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