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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Auszeichnung empfangen hatte.
    McQuarrie griff wieder zum Dudelsack und wollte abschließend eine Melodie spielen, doch Taggart unterbrach ihn. Er war noch nicht fertig. Obwohl ihm vor Erschöpfung schon der kalte Schweiß auf der Stirn stand, musste der letzte Teil der Feier noch vollzogen werden.
    »Es gibt noch zwei Männer an Bord, die es ebenfalls verdienen,
Falcon
genannt zu werden! Der Erste ist Enano, der Zwerg, den ihr
Jack Pudding
nennt. Er hat auf seine Art bravourös gekämpft und sich der silbernen Auszeichnung mehr als würdig erwiesen. Enano, komm zu mir.«
    Der Zwerg, der kaum wusste, wie ihm geschah, trat vor, und Taggart heftete ihm das Abzeichen an sein blaues Gewand. Er gab ein putziges Bild ab, der Winzling, wie er so dastand mit seinem mondförmigen Gesicht, seinem vorgestülpten Fischmündchen und seinen strubbeligen roten Haaren.
    »Ho, ho,
Jack Pudding
«, klang es hier und da aus den Reihen, aber es war ein gutmütiges Lachen, und keiner der
Falcons
hätte dem Wicht die Auszeichnung nicht gegönnt.
    »Gramersi, Kaptein, zu viel der Ehr!« Der Zwerg verbeugte sich, indem er drollig den Hals nach vorn abknickte.
    »Ehre, dem die Ehre gebührt, das hat der alte Paulus in seinem Römerbrief schon gewusst!« Taggart griff ein letztes Mal in die Schatulle, hielt das übrig gebliebene Abzeichen hoch und rief:
    »Dieser silberne Falke ist für jenen Mann bestimmt, der es vielleicht wie kein zweiter verdient,
Falcon
genannt zu werden: Es ist Seine Lordschaft, der Earl of Worthing, besser bekannt als Vitus von Collincourt oder einfach nur als unser Cirurgicus! Kommt her, Cirurgicus.«
    Die Männer johlten und pfiffen, als Vitus seine Spange entgegennahm. Sie hatten nicht vergessen, wer sie gegen die
San Juan
ins letzte Gefecht geführt hatte, und sie wussten auch noch sehr genau, wer sie danach zusammengeflickt hatte.
    Vitus hatte Tränen in den Augen. Er hatte im Leben nicht damit gerechnet, ebenfalls gewürdigt zu werden. Die Auszeichnung machte vieles wett, und sein besonderes Verhältnis zu Taggart, dem alten Haudegen, machte sie nur umso wertvoller. »Danke, Sir«, sagte er, einen Kloß im Hals. »Sir, ich danke Euch sehr.«
    »Schon gut. Was hieltet Ihr davon, das Ereignis ein wenig in meiner Kajüte zu feiern?«
    »Nichts lieber als das!«
    Taggart grinste schief. »Aber nicht bei einem Brennnesseltee.«
     
     
     
    Am Abend betraten Vitus und der Zwerg nacheinander Doktor Halls Kammer. Sie lachten und scherzten, waren in bester Stimmung und übersahen Isabellas vorwurfsvolle Blicke. »Mach dir keine Sorgen«, sagte Vitus zu ihr. »Der Zwerg, der übrigens neuerdings
Jack Pudding
heißt, kann schweigen wie ein Grab. Er hat es bisher getan und wird es auch künftig tun. Er würde dich nie verraten.«
    Isabella musterte den Zwerg, als wäre er ein Lurch.
»Jack Pudding?«,
wiederholte sie gedehnt. »Das passt. Er sieht wahrhaftig aus wie ein himmelblauer Pudding.«
    »Was soll das?«, fragte Vitus stirnrunzelnd. »Es kann nicht jeder groß und schlank sein. Ich habe mich auch nicht über dich lustig gemacht, als dein Körper einem Skelett glich.«
    »Du bist betrunken.«
    »Ich bin guter Laune.«
    »Was wollt ihr beide überhaupt hier?«
    Vitus wurde ärgerlich. Er hatte einen erfolgreichen Tag hinter sich, war ein wenig angeheitert und wollte mit Isabella ungezwungen reden können. Nicht zuletzt deshalb hatte er den Zwerg mitgebracht.
    Jack Pudding
stülpte das Mündchen vor: »Bist kess, Isabella, wie? Meinst, wärst was Bessres. Späh dich selbst. Wärst bei den Kiemlingen im Wasser längst, wenn der Örl nich wär.«
    Isabella ließ sich auf ihre Koje fallen. »Ich bin den ganzen Tag über allein gewesen, da kann ich auch abends auf Gesellschaft verzichten.«
    Vitus setzte sich ihr gegenüber. »Dass du hier bist, ist deine freie Entscheidung. Ein Wort von dir, und ich gehe zum Captain und kläre ihn auf.«
    »Das tust du nicht!«
    Vitus lenkte ein. »Nein, das tue ich nicht. Dafür ist es zu spät. Welchen Grund sollte ich dem Captain nennen, warum er erst heute von deiner Anwesenheit erfährt? Soll ich ihm sagen, du wärst bisher zu eitel gewesen, dich ihm in Männerkleidern zu präsentieren, aber nun hättest du es dir anders überlegt?«
    »Ich habe mir die Kleider nicht ausgesucht!«
    »Richtig, das hast du nicht. Du hattest überhaupt keine Wahl. Es sei denn, du hättest es vorgezogen, nackt herumzulaufen.«
    »Wui, wui! Die Maid splitterbloß, ’s wär tricktrack nach meinem

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