Die Liebe des Wanderchirurgen
Geschmack. Nix für ungut,
Jack Pudding
sacht adjö, ’s is ihm zu hitzich hier.« Der Zwerg hüpfte rasch hinaus, und Vitus fragte sich, ob der Winzling durch Isabellas taktlose Bemerkung sehr verletzt worden war. Warum war sie nur immer so aggressiv? Er machte einen neuen Versuch: »Es war ein schöner Tag, sieh nur, der Captain hat mich mit der Ehrennadel der
Falcons
ausgezeichnet.«
»Pah, das Ding ist ja nicht einmal aus Gold.«
»Jedenfalls war es eine harmonische Feier.«
»Das habe ich mitbekommen, es war ja laut genug. Ihr habt den Sieg über meine Landsleute bejubelt, den ganzen Tag, und da erwartest du, dass ich dir um den Hals falle und mich mitfreue!«
Aha, dachte Vitus, daher also weht der Wind. Sie kann es nicht ertragen, dass die Dons eine Niederlage einstecken mussten. Laut sagte er: »Nun gut, das ist vielleicht zu viel verlangt. Eigentlich wollte ich mit dir nur ein wenig plaudern, um, äh, unser Verhältnis zu entspannen.«
»Die Spanier sind die kühnsten Soldaten der Welt, niemand kann ihnen standhalten!«
»Da magst du recht haben. In diesem Fall aber verhielt es sich anders.« Vitus beschloss, Isabella eine Brücke zu bauen: »Wir standen mit dem Rücken zur Wand, wir mussten siegen oder untergehen. Am Ende haben wir uns erfolgreich verteidigt. Ich hoffe, das wird uns beim Angriff der Armada genauso gelingen.«
»Niemals! Der Armada kann keiner widerstehen. Und wenn ihr Engländer noch so viel auskundschaftet und jedes unserer Schiffe und jeden unserer Soldaten einzeln ausspioniert – es wird euch nichts nützen.«
»Du weißt also, dass wir die Stärke des Gegners kennen?«
»Es war nicht zu überhören. Aber die Armada ist unbesiegbar.«
»Das werden wir sehen. Auch bei dem kommenden Kampf stehen wir Engländer mit dem Rücken zur Wand.«
Daraufhin sagte Isabella nichts. Doch plötzlich stieß sie hervor: »Ich bin so allein, den ganzen Tag bin ich so verdammt allein!«
Sie wandte den Kopf zur Seite, damit Vitus ihre Verzweiflung nicht sehen konnte.
Er war geneigt, ihr abermals zu sagen, dass sie ihre Abgeschiedenheit sich selbst zu verdanken habe, aber er spürte die Sinnlosigkeit. Deshalb sagte er: »Wir sind bald in England, dann kommst du wieder unter Leute.«
»Ich bin so allein, so verdammt allein.« Sie begann zu zittern.
Er fühlte sich hilflos. Am liebsten wäre er gegangen, aber das war natürlich unmöglich. Er musste an Nina denken, an Odo, Carlos und die kleine Jean, die zu Hause auf ihn warteten, ebenso wie viele andere. Isabella dagegen hatte niemanden, der auf sie wartete.
Ihre Schultern zuckten, sie schluchzte leise, als sie aus einer ihrer Hosentaschen etwas hervorholte und es Vitus entgegenstreckte. Es war ein aufgeklapptes Medaillon. »Sieh hin, das ist der einzige Mensch, den ich noch habe.«
Vitus nahm das Medaillon und betrachtete das darin abgebildete Gesicht. Es war ein grobes Antlitz, dem etwas Bäuerisches anhaftete. Vielleicht, weil es unter den kleinen, engstehenden Augen eine Knollennase aufwies. »Wer ist das?«
»Paolo Farnese, ein Neffe des Herzogs von Parma. Mein Zukünftiger.«
»Er hat ein, äh, eigenwilliges Gesicht.«
»Du brauchst dir keine Mühe zu geben. Er ist abgrundtief hässlich.«
»Nun ja, vielleicht. Ist er denn nett?«
»Woher soll ich das wissen? Ich kenne ihn ja nicht. Die Ehe wurde zwischen unseren beiden Familien verabredet, als ich ein Kind war. Es wird ein reines Zweckbündnis sein – wenn der Kerl überhaupt noch lebt.«
»Warum sollte er nicht?« Vitus gab das Medaillon zurück.
»Er residiert in den Spanischen Niederlanden, und wie gefährlich es dort ist, weißt du sicher selbst. Es herrscht Dauerkriegszustand.«
»Das ist wohl wahr.«
Wieder begannen ihre Schultern zu zucken, so dass er nicht umhin konnte, sie zu trösten. Er legte seine Hand auf ihre kurzgeschorenen Haare und sagte: »Glaub mir, es geht im Leben immer weiter, du stehst erst am Anfang deines Wegs. Du bist noch so jung. Wie alt bist du eigentlich?«
»Neunzehn.« Sie griff nach seiner Hand und hielt sie fest.
»Wenn du erst in England bist, wirst du sicher so schnell wie möglich nach Spanien zurückkehren wollen. Aber ich glaube nicht, dass dir das gelingen wird. Alle Häfen sind gesperrt. Jedenfalls für Handelsschiffe.«
Sie sagte nichts und legte seine Hand an ihr Gesicht.
»Nun, äh, würdest du mir meine Hand zurückgeben?«
»Nein!«
»Gut, äh, wenn du erst in England bist, könnte ich dir eine gewisse Summe zur Verfügung
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