Die Liebe einer Frau
Tropfnasse Gräser streiften ihre Strümpfe. Da war der Pfad, noch nicht überwachsen, unter den Uferbäumen, jenen großen Weiden, die von den Ranken des wilden Weins umklammert wurden wie von zottigen Affenarmen. Nebel stieg auf, sodass der Fluss kaum zu sehen war. Man musste schon die Augen zusammenkneifen und lange hinschauen, dann schimmerte das Wasser hindurch, so still wie Wasser in einem Topf. Es musste sich mit der Strömung bewegen, aber sie konnte nichts davon entdecken.
Dann sah sie eine Bewegung, jedoch nicht im Wasser. Ein Boot bewegte sich. Ein schlichtes altes Ruderboot, an einem Ast festgebunden, wurde ganz leicht angehoben, noch ein wenig, und dann fallen gelassen. Nachdem sie es gefunden hatte, beobachtete sie es, als könnte es ihr etwas sagen. Und das tat es auch. Es sagte etwas Sanftes und Endgültiges.
Du weißt es. Du weißt es.
Als die Kinder wach wurden, fanden sie Enid in bester Laune vor, frischgewaschen und angezogen, das Haar gelöst. Sie hatte schon rote Grütze zubereitet, die die Kinder dann mittags essen konnten. Und sie rührte Teig für Kekse an, damit sie gebacken werden konnten, bevor es zu heiß wurde, um den Herd zu benutzen.
»Gehört das Boot eurem Vater?«, fragte sie. »Das unten am Fluss?«
Lois sagte ja. »Aber wir dürfen nicht darin spielen.« Dann sagte sie: »Wenn du mitkämst, dürften wir.« Beide hatten sofort die Stimmung des Tages erfasst, seine Feiertagsmöglichkeiten, Enids ungewöhnliche Mischung aus Mattigkeit und Erregung.
»Wir werden sehen«, sagte Enid. Sie wollte den Tag für die Kinder zu einem besonderen machen, nicht nur wegen der Tatsache – deren sie sich bereits nahezu sicher war –, dass es der Tag des Todes ihrer Mutter sein würde. Sie wollte, dass sie etwas in Erinnerung behielten, was auf alles Spätere ein versöhnliches Licht werfen konnte. Auf Enid selbst nämlich und darauf, wie sie das spätere Leben der Kinder beeinflussen würde.
Am Morgen war Mrs. Quinns Puls schwer zu finden gewesen, und offenbar besaß sie nicht mehr die Kraft, um den Kopf zu heben oder die Augen zu öffnen. Eine große Veränderung im Vergleich zum Vortag, aber das überraschte Enid nicht. Sie hatte vermutet, die große Kraftanstrengung zu diesem bösartigen Redestrom würde die letzte sein. Sie hielt Mrs. Quinn einen Löffel mit Wasser an die Lippen, und Mrs. Quinn sog ein wenig von dem Wasser ein. Sie machte ein miauendes Geräusch – wohl das letzte Überbleibsel all ihrer Klagen. Enid rief nicht den Arzt, denn er wollte ohnehin im Laufe des Tages vorbeischauen, wahrscheinlich am frühen Nachmittag.
Sie rührte in einem Marmeladenglas Seifenlauge an und bog ein Stück Draht zu einer Öse zurecht, und dann noch eines. Sie zeigte den Kindern, wie man Seifenblasen machte, indem man gleichmäßig und vorsichtig pustete, bis eine möglichst große, schimmernde Kugel am Draht zitterte, die man dann behutsam abschüttelte. Sie jagten die Seifenblasen über den Hof, die in der Luft schwebten, bis ein Windstoß sie erfasste und in die Bäume oder an die Dachrinne der Veranda hing. Was sie dort am Leben erhielt, das schienen die bewundernden Rufe, die Freudenschreie zu sein, die von unten aufstiegen. Enid setzte dem Lärm, den die Kinder machen durften, keine Grenzen, und als die Seifenlauge aufgebraucht war, machte sie neue.
Der Arzt rief an, als sie den Kindern ihr Mittagbrot gab – rote Grütze und mit buntem Zucker bestreute Kekse und Milch, in die sie Schokoladensirup gerührt hatte. Er sagte, ein Kind, das vom Baum gefallen war, habe ihn aufgehalten, und er würde es wahrscheinlich nicht vor dem frühen Abend schaffen. Enid sagte leise: »Ich glaube, es geht zu Ende.«
»Sorgen Sie für Linderung, soweit Sie können«, sagte der Arzt. »Wie, das wissen Sie ebenso gut wie ich.«
Enid rief Mrs. Green nicht an. Sie wusste, dass Rupert noch nicht von der Auktion zurückgekehrt war, und sie glaubte nicht, dass Mrs. Quinn, sollte sie je für einen Augenblick noch einmal das Bewusstsein erlangen, ihre Schwägerin im Zimmer sehen oder hören wollte. Auch schien es unwahrscheinlich, dass sie ihre Kinder sehen wollte. Und ihr Anblick bot den Kindern nichts Gutes, es in Erinnerung zu behalten.
Sie machte sich nicht mehr die Mühe, Mrs. Quinns Blutdruck oder ihre Temperatur zu messen – sie wischte ihr nur Gesicht und Arme ab und bot ihr Wasser an, das nicht mehr genommen wurde. Sie stellte den Deckenventilator an, gegen dessen Geräusch Mrs. Quinn
Weitere Kostenlose Bücher