Die Liebe einer Frau
so oft protestiert hatte. Der Geruch, der von ihrem Körper aufstieg, schien sich zu verändern und seine Ammoniakschärfe zu verlieren. Ging über in den allgemeinen Geruch des Todes.
Sie verließ das Zimmer und setzte sich auf die Verandatreppe. Sie zog Schuhe und Strümpfe aus und streckte die Beine von sich. Die Kinder begannen sie vorsichtig zu löchern, fragten sie, ob sie mit ihnen zum Fluss hinunterging, ob sie im Boot sitzen durften, oder, wenn sie die Ruder fanden, ob sie mit ihnen hinausruderte. Sie war klug genug, in der Vernachlässigung nicht derart weit zu gehen, aber sie fragte die Kinder: Wollt ihr einen Swimmingpool haben? Oder zwei? Und sie holte zwei Waschwannen, stellte sie ins Gras und füllte sie mit Wasser aus der Zisternenpumpe. Die Kinder zogen sich bis auf die Höschen aus, rekelten sich im Wasser und wurden Prinzessin Elisabeth und Prinzessin Margaret Rose.
»Was meint ihr«, fragte Enid, die mit zurückgelehntem Kopf und geschlossenen Augen im Gras saß, »was meint ihr, wenn jemand etwas ganz Schlimmes getan hat, muss der bestraft werden?«
»Ja«, sagte Lois sofort. »Der muss Dresche kriegen.«
»Wer hat das getan?«, fragte Sylvie.
»Denk einfach mal, irgendwer«, sagte Enid. »Wenn es also etwas sehr Schlimmes war, aber wenn niemand weiß, dass er es getan hat? Soll er gestehen, dass er es getan hat, und bestraft werden?«
Sylvie sagte: »Ich wüsste, dass er’s getan hat.«
»Wüsstest du nich«, sagte Lois. »Woher denn?«
»Ich hätt ihn gesehn.«
»Hätt’st du nich.«
»Wisst ihr, warum ich meine, er soll bestraft werden?«, fragte Enid. »Weil er sich nämlich innerlich ganz schlecht fühlen wird. Auch wenn niemand ihn gesehen hat und niemand es je erfährt. Wenn ihr etwas sehr Schlimmes tut, und ihr werdet nicht bestraft, dann fühlt ihr euch schlechter, sehr viel schlechter, als wenn ihr bestraft werdet.«
»Lois hat ’n grünen Kamm geklaut«, sagte Sylvie.
»Hab ich nich«, sagte Lois.
»Ich möchte, dass ihr euch das merkt«, sagte Enid.
Lois sagte: »Der hat auffe Straße gelegen.«
Enid ging etwa alle halbe Stunde ins Krankenzimmer, um Mrs. Quinn das Gesicht und die Hände mit einem feuchten Lappen abzuwischen. Sie sagte dabei kein Wort zu ihr und berührte sie auch nicht, nur mit dem Lappen. Sie hatte sich noch nie zuvor von jemandem, der im Sterben lag, derart ferngehalten. Als sie gegen halb sechs die Tür aufmachte, wusste sie, dass in diesem Zimmer niemand mehr lebte. Das Laken war herausgezogen, und Mrs. Quinns Kopf hing über die Bettkante, eine Tatsache, die Enid weder niederschrieb noch irgendjemandem gegenüber erwähnte. Bevor der Arzt kam, hatte sie den Leichnam gewaschen und ordentlich hingelegt und das Bett gerichtet. Die Kinder spielten immer noch im Hof.
»5. Juli. Morgens Regen. L. u.S. spielen unter Veranda. Ventilator aus und an, beschwert sich über Lärm. Halbe Tasse Eiermilch löffelweise. Bd. hoch, Puls schnell, keine Klagen über Schmerzen. Kaum Abkühlung durch Regen. Abends R. Q. Heuernte beendet.
6 . Juli. Heißer Tag, sr. drückend. Ventilator versucht, aber nein. Oft feucht abgewischt. Abends R. Q. Fängt morgen Weizenernte an. Alles 1 oder 2 Wn. voraus wg. Hitze, Regen.
7 . Juli. Weiter heiß. Will Eiermilch nicht. Ginger Ale vom Löffel. Sr. schwach. Letzte Nacht schwerer Regen, Wind. R. Q. konnte nicht mähen, Korn stellenweise niedergeschlagen.
8 . Juli. Keine Eiermilch. Ginger Ale. Vormittags Erbrechen. Wacher. R. Q. will zu Kälberauktion, wird 2 Tage fort sein. Dr. keine Bedenken.
9 . Juli. Sr. aufgewühlt. Entsetzliche Reden.
10 . Juli. Patientin Mrs. Rupert (Jeanette) Quinn starb heute gegen 5 Uhr nachmittags. Herzversagen infolge von Urämie. (Glomerulonephritis.)«
Enid hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, nicht bis zur Beerdigung der Menschen, die sie gepflegt hatte, zu bleiben. Sie hielt es für richtig, das Haus zu verlassen, sobald der Anstand es zuließ. Ihre Gegenwart erinnerte unwillkürlich an die Zeit direkt vor dem Tod, die vielleicht trostlos und voll körperlichen Elends gewesen war und nun durch Feierlichkeiten und Gastfreundschaft und Blumen und Kuchen verklärt werden sollte.
Auch gab es für gewöhnlich eine Verwandte, die sich einfand, um den Haushalt vollständig zu übernehmen, und Enid plötzlich zu einem unerwünschten Gast machte.
Und wirklich traf Mrs. Green im Haus der Quinns noch vor dem Leichenbestatter ein. Rupert war noch nicht zurückgekehrt. Der
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