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Die Liebe einer Frau

Die Liebe einer Frau

Titel: Die Liebe einer Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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Hand auf ihrem Bein, um das Gleichgewicht zu halten. Er hatte ihr Bein gepackt, um das Gleichgewicht zu halten, und ihr Rock war hochgerutscht und ihr nacktes Bein war zu sehen, aber weiter war nichts, und sie konnte sowieso nichts machen, sie musste sich darauf konzentrieren, stillzuhalten.
    Rupert war also im Zimmer, ohne dass sie ihn hatten kommen hören, und dann machte er nur einen Satz und landete wie der Blitz auf Mr. Willens, und Mr. Willens konnte nicht aufstehen oder sich umdrehen, er lag da, bevor er wusste, wie ihm geschah. Rupert schlug seinen Kopf immer wieder auf den Boden, Rupert schlug ihm die Seele aus dem Leib, und sie sprang so schnell auf, dass der Stuhl umkippte und Mr. Willens’ Kasten, in dem er seine Augensachen hatte, umstürzte und alle Dinger rausflogen. Rupert vermöbelte ihn einfach, und vielleicht stieß er gegen die Ofenkante, sie wusste es nicht genau. Sie dachte nur: Gleich bin ich dran. Aber sie konnte nicht an ihnen vorbei, um aus dem Zimmer zu laufen. Und dann sah sie, dass Rupert doch nicht auf sie losging. Er war außer Puste, und er richtete bloß den Stuhl auf und setzte sich hin. Sie ging dann zu Mr. Willens und wälzte ihn herum, schwer, wie er war, damit er mit der richtigen Seite nach oben lag. Seine Augen waren nicht völlig auf und auch nicht zu, und ihm lief Sabber aus dem Mund. Aber keine Verletzung im Gesicht oder blaue Flecken – vielleicht hatten die sich noch nicht gebildet. Das Zeug, das aus seinem Mund kam, sah nicht mal wie Blut aus. Es war rosa, und wenn sie sagen sollte, wie es aussah, es sah genauso aus wie der Schaum, der hochkommt, wenn man Erdbeeren kocht, um Marmelade zu machen. Hellrosa. Es war über sein ganzes Gesicht verschmiert, weil Rupert ihn mit dem Gesicht nach unten verdroschen hatte. Er machte auch ein Geräusch, als sie ihn umdrehte.
Gluck-gluck.
Das war alles.
Gluck-gluck
, und er lag da wie ein Stein.
    Rupert sprang vom Stuhl auf, sodass der weiterschaukelte, und machte sich daran, die ganzen Dinger aufzuheben und in Mr. Willens’ Kasten zurückzutun. Alle wieder so reinzustecken, wie sie gehörten. Darauf Zeit zu verschwenden. Es war ein Spezialkasten, mit rotem Samt ausgelegt und einem bestimmten Platz für jedes von diesen Dingern, die er benutzte, und man musste sie alle an die richtige Stelle tun, sonst ging der Deckel nicht zu. Rupert kriegte es hin, dass der Deckel zuging, und dann setzte er sich einfach wieder in den Schaukelstuhl und hämmerte sich auf die Knie.
    Auf dem Tisch lag eine von diesen blöden Zierdecken, ein Andenken von Ruperts Eltern, als sie mal rauf in den Norden gefahren waren, um die Dionne-Fünflinge zu sehen. Sie nahm sie ab und wickelte sie Mr. Willens um den Kopf, damit das rosa Zeug aufgesogen wurde und sie ihn nicht mehr sehen mussten.
    Rupert hieb sich immer wieder mit seinen großen Pranken auf die Knie. Sie sagte: Rupert, wir müssen ihn irgendwo vergraben.
    Rupert sah sie bloß an, so wie: Warum?
    Sie sagte, sie könnten ihn unten in dem Keller vergraben, der Sandboden hatte.
    »Sicher«, sagte Rupert. »Und wo sollen wir sein Auto vergraben?«
    Sie sagte, sie könnten es in die Scheune stellen und mit Heu zudecken.
    Er sagte, zu viele Leute kämen und schnüffelten in der Scheune rum.
    Dann dachte sie: Schaff ihn in den Fluss. Sie sah ihn vor sich, wie er unter Wasser in seinem Auto saß. Es kam ihr wie ein Bild. Rupert sagte anfangs nichts, also ging sie in die Küche und holte Wasser, um Mr. Willens abzuwischen, damit er nichts volltropfte. Schleim kam jetzt keiner mehr aus seinem Mund. Sie nahm sich seine Schlüssel, die in seiner Tasche steckten. Durch den Stoff seiner Hose konnte sie sein fettes Bein fühlen, das immer noch warm war.
    Sie sagte zu Rupert: Mach voran.
    Er nahm die Schlüssel.
    Sie hoben Mr. Willens hoch, sie bei den Füßen und Rupert bei den Schultern, und er wog eine Tonne. Er war wie Blei. Aber als sie ihn trugen, stieß einer von seinen Schuhen sie zwischen die Beine, und sie dachte: Da, du treibst es immer noch, du geiler alter Bock. Sogar sein toter Fuß versetzte ihr noch einen Stups. Nicht, dass sie ihn je rangelassen hätte, aber er war immer auf der Lauer zuzugrapschen, wenn er konnte. Wie unter dem Rock nach ihrem Bein grapschen, wenn er das Ding an ihrem Auge hatte und sie ihn nicht hindern konnte und Rupert ins Zimmer geschlichen kam und einen falschen Eindruck kriegte.
    Über die Türschwelle und durch die Küche und über die Veranda und die Verandatreppe

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