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Die Liebe einer Frau

Die Liebe einer Frau

Titel: Die Liebe einer Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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runter. Alles frei. Aber es war ein windiger Tag, und als Erstes blies der Wind die Tischdecke weg, die sie Mr. Willens übers Gesicht gelegt hatte.
    Ihr Hof konnte zum Glück von der Straße nicht eingesehen werden. Nur das Dach und das Fenster im ersten Stock. Das Auto von Mr. Willens war nicht zu sehen.
    Rupert hatte sich alles Übrige ausgedacht, was jetzt zu tun war. Ihn zum Skagerrak bringen, wo das Wasser tief war und der Weg bis ans Ufer führte und es so aussehen konnte, als wäre er von der Straße abgefahren und hätte sich im Weg geirrt. Als wäre er in den Skagerrak-Weg eingebogen, vielleicht war es dunkel, und er fuhr eben ins Wasser, bevor er wusste, wo er war. Als hätte er einfach einen Fehler gemacht.
    Und das hatte er. Mr. Willens hatte wirklich einen Fehler gemacht.
    Das Problem war, Rupert musste dafür aus ihrer Zufahrt raus und dann auf der Straße bis zur Skagerrak-Abzweigung fahren. Aber da unten wohnte niemand, und nach der Skagerrak-Abzweigung endete die Straße als Sackgasse, also musste er nur beten, dass ihm auf dem Stück niemand begegnete. Dann würde er Mr. Willens auf den Fahrersitz bugsieren und das Auto vom Ufer ins Wasser stoßen. Den ganzen Klumpatsch in den Teich stoßen. Ein schweres Stück Arbeit, aber wenigstens war Rupert ein kräftiger Kerl. Sie wären gar nicht erst in diese Klemme geraten, wenn Rupert nicht solche Kräfte hätte.
    Rupert tat sich schwer, das Auto anzulassen, weil er so eins noch nie gefahren war, aber schließlich schaffte er es und wendete und fuhr die Zufahrt runter, wobei Mr. Willens zur Seite sackte. Er hatte Mr. Willens den Hut aufgesetzt – der Hut hatte auf dem Autositz gelegen.
    Warum den Hut abnehmen, bevor er ins Haus kam? Nicht einfach, um höflich zu sein, sondern damit er sie leichter umklammern und küssen konnte. Wenn man so was küssen nennen konnte, dieses Geschubse mit seinem Koffer immer noch in der einen Hand und die andere Hand, die sie begrabbelte, und sein alter Sabbermund, der an ihr rumlutschte. An ihren Lippen und ihrer Zunge rumlutschte und rumkaute, und wie er an ihr rumrammelte und ihr die Ecke von seinem Koffer in den Hintern bohrte. Sie war so überrascht, und er hielt sie so fest gepackt, dass sie gar nicht wusste, wie sie freikommen sollte. Rammelte und lutschte und sabberte und bohrte und tat ihr weh, alles auf einmal. Er war ein brutales altes Schwein.
    Sie ging und holte die Fünflinge-Tischdecke vom Zaun, wo der Wind sie hingeweht hatte. Dann suchte sie alles nach Blutspuren ab, die Treppe, die Veranda und die Küche, aber nur im Wohnzimmer entdeckte sie Blut, auch auf ihren Schuhen war welches. Sie wischte den Fußboden auf und wischte ihre Schuhe ab, die sie auszog, und erst, als sie mit dem allem fertig war, sah sie, dass ihre Bluse vorne blutverschmiert war. Wie war denn das passiert? Und im selben Moment hörte sie ein Geräusch, das machte sie starr wie Stein. Sie hörte ein Auto, und es war ein Auto, das sie nicht kannte, und es kam die Zufahrt rauf.
    Sie spähte durch die Tüllgardine, und wirklich. Ein dunkelgrünes Auto, und ziemlich neu. Die blutverschmierte Bluse, und die Schuhe ausgezogen, und der Fußboden nass. Sie drückte sich in eine Ecke, wo sie von draußen nicht zu sehen war, aber ihr fiel nichts ein, wo sie sich verstecken konnte. Das Auto hielt, und eine Tür ging auf, aber der Motor wurde nicht abgestellt. Sie hörte die Tür wieder zugehen und das Auto wenden, und dann hörte sie es wegfahren. Und sie hörte Lois und Sylvie auf der Veranda.
    Es war das Auto von dem Freund der Lehrerin. Er holte die Lehrerin jeden Freitagnachmittag ab, und das war ein Freitag. Also sagte die Lehrerin zu ihm: Warum bringen wir die beiden nicht nach Hause, sie sind die Kleinsten, und sie haben den weitesten Weg, und es sieht nach Regen aus.
    Es regnete dann tatsächlich. Es fing an, als Rupert zurückkam und am Ufer entlang nach Hause lief. Sie sagte: Dein Glück, das wird deine Spuren verwischen, wo du rumgetrampelt bist, als du’s reingestoßen hast. Er sagte, er hätte die Schuhe ausgezogen und es auf Strümpfen gemacht. Hast wohl dein Gehirn wieder eingeschaltet, sagte sie.
    Statt zu versuchen, das Zeug aus der Souvenirdecke oder der Bluse, die sie anhatte, rauszuwaschen, verbrannte sie gleich alle beide im Herd. Sie stanken scheußlich, und der Gestank machte sie krank. Das war überhaupt der Anfang ihrer Krankheit. Das und die Farbe. Als sie den Fußboden aufgewischt hatte, sah sie trotzdem immer

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