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Die Liebe einer Frau

Die Liebe einer Frau

Titel: Die Liebe einer Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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alles Solide ab, im Vergleich zu den Männern, mit denen Kent zu tun hatte. An Kents Arbeitsplatz hatte jeder Fehler Folgen, stand jeder Mitarbeiter ständig in der Verantwortung, man hatte einfach keine Zeit, mit solchen Gedanken herumzuspielen, ob nun Drugstore-Ketten etwas Schlechtes waren oder ob Pharmakonzerne an verbrecherischen Machenschaften beteiligt waren. Das war die wirkliche Welt, und jeden Tag ging er mit der Last seiner und Kaths Zukunft auf den Schultern in diese Welt hinaus. Er bejahte das, er war sogar stolz darauf, und er dachte gar nicht daran, sich bei einer Handvoll Quenglern zu entschuldigen.
    »Das Leben wird besser trotz allem, was Sie vorbringen«, hatte er ihnen gesagt. »Sie brauchen sich nur umzuschauen.«
    Er distanzierte sich jetzt durchaus nicht von seinem jüngeren Ich. Er fand, er war vielleicht ein bisschen nassforsch gewesen, aber nicht im Unrecht. Doch er machte sich Gedanken über den Zorn in jenem Zimmer, all diese verletzende Energie, was wohl daraus geworden war.
    Sonje telefonierte nicht mehr. Sie rief ihm aus der Küche zu: »Den Tee lass ich endgültig weg, es gibt Gin Tonic.«
    Als sie die Getränke brachte, fragte er sie, wie lange Cottar schon tot war, und sie antwortete ihm, über dreißig Jahre. Er seufzte und schüttelte den Kopf. So lange schon?
    »Er starb sehr schnell an irgendeinem tropischen Virus«, sagte Sonje. »Das passierte in Jakarta. Er war schon unter der Erde, bevor ich überhaupt erfuhr, dass er krank war. Jakarta hieß früher Batavia, hast du das gewusst?«
    Kent sagte: »So in etwa.«
    »Ich erinnere mich noch an euer Haus«, sagte sie. »Das Wohnzimmer war eigentlich eine Veranda, ging übers ganze Haus, wie unseres. Mit Rollos aus Markisenstoff, grüne und braune Streifen. Kath mochte das Licht, das hindurchfiel, sie nannte es das Urwaldidyll. Du nanntest es die Bruchbude. Jedes Mal, wenn du von dem Haus gesprochen hast. Die Bruchbude.«
    »Es stand auf einzementierten Pfählen«, sagte Kent. »Die faulten schon durch. Ein Wunder, dass es nicht eingestürzt ist.«
    »Du und Kath, ihr gingt euch immer Häuser ansehen«, sagte Sonje. »An deinem freien Tag seid ihr mit Noelle im Kinderwagen durch irgendwelche Neubausiedlungen gepilgert. Und habt euch alle neuen Häuser angesehen. Du weißt ja, wie diese Neubausiedlungen damals aussahen. Keine Bürgersteige, weil angeblich niemand mehr zu Fuß ging, und alle Bäume abgeholzt, und die Häuser, eins ans andere geklatscht, starrten sich aus ihren Panoramafenstern an.«
    Kent sagte: »Was konnte man sich denn damals anderes leisten?«
    »Ich weiß, ich weiß. Aber du hast immer gefragt: ›Welches gefällt dir?‹, und Kath hat dir nie geantwortet. Bis du schließlich ausgerastet bist und gefragt hast, ›gibt es überhaupt ein Haus, das dir gefällt‹, und sie gesagt hat: ›Ja, die Bruchbude.‹«
    Kent konnte sich nicht daran erinnern. Aber er nahm an, dass es stimmte. Jedenfalls hatte Kath es Sonje so erzählt.

III
    Cottar und Sonje gaben eine Abschiedsparty, bevor Cottar auf die Philippinen oder nach Indonesien oder sonst wohin flog und Sonje nach Oregon fuhr, um für seine Mutter zu sorgen. Alle, die an der Bucht wohnten, waren eingeladen – da die Party draußen im Freien stattfinden sollte, war das die einzig vernünftige Lösung. Außerdem einige Leute, mit denen Sonje und Cottar in einer Kommune gewohnt hatten, bevor sie an die Küste zogen, dann noch Journalisten, die Cottar kannte, und Leute, mit denen Sonje in der Stadtbücherei zusammengearbeitet hatte.
    »Einfach alle«, sagte Kath, und Kent fragte fröhlich: »Lauter Linke?« Sie sagte, das wisse sie nicht, eben einfach alle.
    Die richtige Monica hatte ihre Babysitterin bestellt, und alle Kinder wurden in ihrem Haus abgeliefert, wobei die Eltern sich an den Kosten beteiligten. Kath brachte Noelle in ihrer Babytragetasche hin, als es anfing, dunkel zu werden. Sie sagte der Frau, dass sie vor Mitternacht zurück sein würde, wenn Noelle wahrscheinlich Hunger bekam und aufwachte. Sie hätte das Fläschchen, das sie vorbereitet hatte, mitnehmen können, aber sie ließ es zu Hause. Sie war unsicher wegen der Party und dachte, vielleicht würde sie froh sein über eine Gelegenheit, wegzukommen.
    Sie hatte nie mit Sonje über das Abendessen in Sonjes Haus geredet, als Kent sich mit allen angelegt hatte. Es war Sonjes erste Begegnung mit Kent gewesen, und hinterher sagte sie nur, dass er wirklich fabelhaft aussah. Kath hatte das Empfinden,

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