Die Liebe einer Frau
ging, sah sie Leute auf die Party warten. Sie standen in kleinen Grüppchen herum oder saßen auf Baumstämmen und sahen sich den Rest des Sonnenuntergangs an. Sie tranken Bier. Cottar und ein anderer Mann wuschen einen Abfalleimer aus, um darin den Punsch zu machen. Miss Campo, die Leiterin der Stadtbücherei, saß allein auf einem Baumstamm. Kath winkte ihr fröhlich zu, ging aber nicht hin, um sich ihr anzuschließen. Wenn man sich in diesem Stadium jemandem anschloss, saß man fest. Dann blieb man zu zweit. Das Beste war, sich einer Gruppe von drei oder vier Leuten anzuschließen, selbst wenn man das Gespräch – das aus der Ferne so lebhaft gewirkt hatte – dann fürchterlich mühsam fand. Aber das konnte sie schlecht tun, nachdem sie Miss Campo zugewinkt hatte. Sie musste den Anschein erwecken, ein Ziel zu haben. Also ging sie weiter, an Kent vorbei, der sich mit Monicas Mann darüber unterhielt, wie lange es wohl dauern würde, einen der Baumstämme am Strand zu zersägen, die Treppe zu Sonjes Haus hinauf und in die Küche.
Sonje rührte in einem großen Topf mit Chili, und die ältere Frau aus der Kommune legte Roggenbrotschnitten mit Salami und Käse auf einen großen Teller. Sie hatte dasselbe an wie bei dem Curry-Abendessen, einen pluderigen Rock und einen missfarbenen, aber dafür enganliegenden Pullover, in dem die Brüste, die er so eng umschloss, bis zur Taille hingen. Das hatte offenbar etwas mit Marxismus zu tun, dachte Kath – Cottar wollte nicht, dass Sonje einen Büstenhalter trug oder Nylonstrümpfe oder Lippenstift. Außerdem hatte es mit ungehemmtem, eifersuchtslosem Sex zu tun, mit dem ursprünglichen, unverdorbenen Verlangen, das auch vor einer Fünfzigjährigen nicht zurückschreckte.
Eine junge Frau aus der Stadtbücherei war auch da, sie schnitt grüne Paprikaschoten und Tomaten klein. Und eine Frau, die Kath nicht kannte, saß auf dem Küchenhocker und rauchte eine Zigarette.
»Also mit Ihnen haben wir ja ein Hühnchen zu rupfen«, sagte die junge Frau aus der Stadtbücherei zu Kath. »Wir alle in der Bibliothek. Wir hören, Sie haben das süßeste Baby der Welt, aber wir kriegen es nicht zu sehen. Wo ist es denn jetzt?«
Kath sagte: »Schläft hoffentlich.«
Die junge Frau hieß Lorraine, aber Sonje und Kath hatten sie in ihren Gesprächen über die Zeit bei der Bücherei Debbie Reynolds getauft. Sie stand immer unter Dampf.
»Och«, sagte sie.
Die Hängebusenfrau warf ihr und auch Kath einen Blick nachdenklichen Abscheus zu.
Kath machte eine Flasche Bier auf und gab sie Sonje, die sagte: »Oh, danke. Ich war so mit dem Chili beschäftigt, dass ich ganz vergessen habe, mir was zu trinken zu nehmen.« Sie war unsicher, weil sie nicht so gut kochen konnte wie Cottar.
»Bloß gut, dass Sie das nicht selber trinken wollten«, sagte die junge Frau aus der Stadtbücherei zu Kath. »Das ist tabu, wenn Sie stillen.«
»Ich habe die ganze Zeit über Bier geschluckt, als ich gestillt habe«, sagte die Frau auf dem Hocker. »Ich glaube, es wurde sogar empfohlen. Das meiste davon pinkelt man sowieso wieder aus.«
Die Augen der Frau waren mit schwarzem Lidstrich umrandet, der die Augenwinkel verlängerte, und ihre Lider waren bis zu den glänzenden schwarzen Brauen mit rotstichigem Blau angemalt. Ihr übriges Gesicht war kreidebleich oder so geschminkt, und ihre Lippen waren so blassrosa, dass sie fast weiß wirkten. Kath hatte solche Gesichter schon gesehen, aber nur in Modezeitschriften.
»Das ist Amy«, sagte Sonje. »Amy, das ist Kath. Entschuldigt, ich habe euch nicht vorgestellt.«
»Sonje, du entschuldigst dich andauernd«, sagte die ältere Frau.
Amy nahm sich ein Stück Käse, das gerade abgeschnitten worden war, und aß es.
Amy war der Name der Geliebten. Der Geliebten von dem Mann der älteren Frau. Plötzlich wollte Kath sie gern kennenlernen, sich mit ihr anfreunden, wie sie sich einmal mit Sonje hatte anfreunden wollen.
Inzwischen war es Nacht geworden, und die Grüppchen am Strand waren nicht mehr so deutlich zu erkennen; sie zeigten stärkere Neigung zusammenzufließen. Unten am Rand des Wassers hatten Frauen die Schuhe ausgezogen, streiften die Strümpfe herunter, falls sie welche trugen, und stippten die Zehen ins Wasser. Die meisten tranken nicht mehr Bier, sondern Punsch, und der Punsch machte bereits eine Reihe von Wandlungen durch. Anfangs hatte er hauptsächlich aus Rum und Ananassaft bestanden, doch inzwischen waren andere Fruchtsäfte und Mineralwasser
Weitere Kostenlose Bücher