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Die Liebe einer Frau

Die Liebe einer Frau

Titel: Die Liebe einer Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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und Wodka und Wein hinzugefügt worden.
    Die, die ihre Schuhe auszogen, wurden angefeuert, mehr auszuziehen. Manche rannten fast vollständig angezogen ins Wasser, legten dann die Sachen ab und warfen sie Fängern am Ufer zu. Andere zogen sich aus, wo sie waren, und machten sich gegenseitig damit Mut, dass es zu dunkel sei, um etwas zu sehen. Aber man konnte sehr wohl nackte Körper ins dunkle Wasser rennen und hineinstürzen und herumplanschen sehen. Monica hatte einen großen Stapel Handtücher aus ihrem Haus geholt und rief allen zu, sich eins umzuwickeln, wenn sie herauskamen, damit sie sich nicht den Tod holten.
    Der Mond ging hinter den schwarzen Bäumen oben auf den Klippen auf und sah so riesengroß aus, so feierlich und atemberaubend, dass es Ausrufe des Erstaunens gab. Was ist denn das? Und auch, als er höher am Himmel stand und zu normaler Größe geschrumpft war, sprachen viele immer wieder von ihm und sagten: »Der Vollmond zu Herbstanfang« oder »Hast du ihn gesehen, als er aufgegangen ist?«
    »Ich habe wirklich gedacht, es wäre ein gigantischer Ballon.«
    »Ich bin gar nicht drauf gekommen, was das war. Ich hätte nie gedacht, dass der Mond so riesig sein kann.«
    Kath stand unten am Wasser und unterhielt sich mit dem Mann, dessen Frau und dessen Geliebte sie vorher in Sonjes Küche gesehen hatte. Seine Frau badete jetzt, ein wenig abseits von den Kreischern und Planschern. In einem anderen Leben, sagte der Mann, sei er Geistlicher gewesen.
    »›Einst wogte auch das Meer des Glaubens auf der höchsten Flut‹«, sagte er scherzhaft. »›Und schmiegte rings sich um die irdischen Gestade wie ein lichter Gürtel‹ – damals war ich mit einer völlig anderen Frau verheiratet.«
    Er seufzte, und Kath dachte, er suchte nach dem Rest des Verses.
    »›Doch nun‹«, sagte sie, »›vernehm ich weithin nur sein trostlos Brausen fernab der öden Ufer und steinig nackten Küsten dieser Welt.‹« Dann verstummte sie, denn was danach kam, war ihr zu viel: »O Liebe, lass uns treu sein –«
    Seine Frau schwamm auf sie zu, bis das Wasser ihr nur noch an die Knie reichte, dann richtete sie sich auf. Ihre Brüste schwangen hin und her und schleuderten Wassertropfen um sich, als sie herauswatete.
    Ihr Mann breitete die Arme aus. »Europa«, rief er im Tonfall kameradschaftlicher Begrüßung.
    »Dann sind Sie Zeus«, sagte Kath kühn. Sie wollte auf der Stelle von einem solchen Mann geküsst werden. Von einem Mann, den sie kaum kannte und an dem ihr nichts lag. Und wirklich küsste er sie, fuhr mit seiner kühlen Zunge in ihrem Mund herum.
    »Man stelle sich vor, ein Erdteil, benannt nach einer Kuh«, sagte er. Seine Frau stand dicht vor ihnen und atmete dankbar nach ihrem anstrengenden Bad. Sie stand so nah, dass Kath Angst hatte, von ihren langen, dunklen Brustwarzen oder ihrem Mopp schwarzer Schamhaare gestreift zu werden.
    Jemand hatte ein Feuer gemacht, und die, die im Wasser gewesen waren, standen jetzt herum, in Decken oder Handtücher gewickelt, oder hockten hinter Baumstämmen und krabbelten in ihre Sachen.
    Und Musik spielte. Die Leute, die neben Monica wohnten, besaßen einen Anlegesteg und ein Bootshaus. Ein Plattenspieler war heruntergeholt worden, und einige fingen an zu tanzen. Auf dem Bootssteg und, mühsamer, im Sand. Sogar auf einem Baumstamm machte jemand ein oder zwei Tanzschritte, bevor er stolperte und herunterfiel oder -sprang. Frauen, die sich wieder angezogen oder nie ausgezogen hatten, Frauen die zu ruhelos waren, um an einem Ort zu verharren – wie Kath auch –, gingen am Wasserrand spazieren (niemand badete mehr, Baden war völlig vorbei und vergessen), und wegen der Musik gingen sie anders. Sie wiegten sich in den Hüften, anfangs noch gehemmt, im Scherz, dann frecher, wie schöne Frauen im Film.
    Miss Campo saß immer noch an derselben Stelle und lächelte.
    Die junge Frau, die Kath und Sonje Debbie Reynolds nannten, saß an einen Baumstamm gelehnt im Sand und weinte. Sie lächelte Kath zu und sagte: »Glauben Sie ja nicht, dass ich traurig bin.«
    Ihr Mann hatte für ein College Football gespielt und besaß jetzt eine Karosseriewerkstatt. Wenn er in die Bücherei kam, um seine Frau abzuholen, sah er immer aus wie ein gestandener Footballspieler, den der Rest der Welt ein wenig anwiderte. Aber jetzt kniete er neben ihr und spielte mit ihren Haaren.
    »Schon gut«, sagte er. »So ist das jedes Mal bei ihr. Nicht wahr, Schatz?«
    »Ja, stimmt«, sagte sie.
    Kath fand Sonje beim

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