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Die Liebe einer Frau

Die Liebe einer Frau

Titel: Die Liebe einer Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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Feuer, sie ging herum und verteilte Marshmallows. Manche schafften es, sie auf Stöckchen zu spießen und zu toasten, andere warfen sie hin und her und verloren sie im Sand.
    »Debbie Reynolds weint«, sagte Kath. »Aber alles in Ordnung. Sie ist glücklich.«
    Beide fingen an zu lachen, sie umarmten sich und drückten die Tüte mit Marshmallows zwischen sich platt.
    »Ach, du wirst mir fehlen«, sagte Sonje. »Unsere Freundschaft wird mir fehlen.«
    »Ja. Ja«, sagte Kath. Beide nahmen sich ein kaltes Marshmallow und aßen es, lachten und sahen einander an, erfüllt von süßer Wehmut.
    »Tue dies zum Gedenken an mich«, sagte Kath. »Du bist meine wahrste, echteste Freundin.«
    »Und du meine«, sagte Sonje. »Die wahrste, echteste. Cottar sagt, er will heute Nacht mit Amy schlafen.«
    »Verbiet es ihm«, sagte Kath. »Verbiet es ihm, wenn du dich schlecht dabei fühlst.«
    »Ach, das ist keine Frage des Verbietens«, sagte Sonje tapfer. Sie rief: »Wer möchte Chili? Cottar teilt da drüben den Chili aus. Chili? Chili?«
    Cottar hatte den Kessel mit Chili die Treppe heruntergetragen und in den Sand gestellt.
    »Vorsicht, heiß«, sagte er immer wieder mit väterlicher Stimme. »Vorsicht, der Kessel ist heiß.«
    Er hockte da, um den Gästen aufzutun, nur mit einem Handtuch bekleidet, das aufklappte. Amy stand neben ihm und gab Näpfe aus.
    Kath trat vor Cottar und wölbte die Hände zu einer Schale.
    »Bitte, Hochwürden«, sagte sie, »ich bin eines Napfes nicht würdig.«
    Cottar sprang auf, ließ die Schöpfkelle fallen und legte ihr die Hände auf den gesenkten Kopf.
    »Sei gesegnet, mein Kind, die Letzten werden die Ersten sein.« Er küsste sie auf den Nacken.
    »Ahh«, sagte Amy, als erhielte oder gäbe sie diesen Kuss selbst.
    Kath hob den Kopf und sah an Cottar vorbei.
    »Ich würde zu gern solchen Lippenstift auflegen«, sagte sie.
    Amy sagte: »Komm mit.« Sie stellte die Näpfe ab und legte Kath sanft den Arm um die Taille und zog sie zur Treppe.
    »Hier hinauf«, sagte sie. »Wir werden dich komplett schminken.«
    Im winzigen Badezimmer hinter Cottars und Sonjes Schlafzimmer legte Amy Näpfchen und Tuben und Stifte aus. Es gab dafür keinen anderen Platz als den Klodeckel. Kath musste sich auf den Rand der Badewanne hocken, ihr Gesicht berührte beinahe Amys Bauch. Amy verteilte eine Flüssigkeit auf ihren Wangen und rieb eine Paste auf ihre Augenlider. Dann tupfte sie Puder auf. Sie bürstete und tuschte Kaths Augenbrauen und pinselte drei Schichten Mascara auf ihre Wimpern. Sie umrandete ihre Lippen mit einem Konturstift und trug Lippenstift auf und tupfte ihn ab und trug noch einmal Lippenstift auf. Sie nahm Kaths Gesicht in die Hände und neigte es zur Lampe.
    Jemand klopfte an die Tür und rüttelte dann daran.
    »Moment«, rief Amy. Dann: »Was ist los mit dir, kannst du nicht hinter einen Baumstamm pinkeln?«
    Sie ließ Kath erst in den Spiegel schauen, als alles fertig war.
    »Und nicht lächeln«, sagte sie. »Das verdirbt die Wirkung.«
    Kath zog die Mundwinkel herunter und starrte finster ihr Spiegelbild an. Ihre Lippen waren wie fleischige Blütenblätter, Lilienblütenblätter. Amy zog Kath fort. »So doch nicht«, sagte sie. »Besser, du siehst dich überhaupt nicht, versuch nicht, irgendwie auszusehen, du siehst gut aus.«
    »Kneif deine Pobacken zusammen, wir kommen raus«, brüllte sie der neuen Person oder vielleicht derselben Person zu, die an die Tür hämmerte. Sie stopfte ihre Siebensachen in ihr Schminktäschchen und schob es unter die Badewanne. Sie sagte zu Kath: »Komm, meine Schöne.«
     
    Lachend und einander herausfordernd tanzten Amy und Kath auf dem Bootssteg. Männer versuchten, sich zwischen sie zu drängen, aber für eine Weile gelang es ihnen, das zu verhindern. Dann gaben sie auf, sie wurden getrennt, blickten verzweifelt und flatterten mit den Armen wie im Boden feststeckende Vögel, als jede von einem Partner in dessen Umlaufbahn gezogen wurde.
    Kath tanzte mit einem Mann, den sie an dem Abend bislang noch nicht gesehen hatte. Er schien etwa in Cottars Alter zu sein. Er war groß, mit den Anfängen eines Schmerbauchs, einem Wust stumpfer, krauser Haare und einem kaputten, verprügelten Ausdruck um die Augen.
    »Ich falle gleich runter«, sagte Kath. »Mir ist schwindlig. Ich falle gleich über Bord.«
    Er sagte: »Ich fange Sie auf.«
    »Mir ist schwindlig, aber ich bin nicht betrunken«, sagte sie.
    Er lächelte, und sie dachte, das sagen Betrunkene

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