Die Liebe eines Klon
stattgefunden haben. Der Park lag also im Süden, wie auch die großen Fenster der oberen Stockwerke und die Balkone. Und die große Sonnenterrasse, die gleichzeitig die Verlängerung des Speisesaales war, als welche sie bei schönem Wetter auch genutzt wurde. Die medizinischen Abteilungen mit den Patienten lagen im Westflügel, die Verwaltung im Ostflügel und die Angestellten und Privaträume im Nordteil des Hauses, zusammen mit den Gemeinschaftsräumen. Wie auch dem Ein- und Ausgang. Lisa wollte sich Alles so gut wie möglich einprägen. Nicht noch einmal wollte sie so blind und orientierungslos durch die Gänge jagen wie am Vortag. „Wollen wir noch ein wenig weitergehen?” Regine erhob sich und strich ihren weißen Kittel glatt, ohne sonderlich an einer Antwort interessiert zu sein. Kieswege schlängelten sich unter großen Buchen, Eichen und Ahornbäumen entlang, rund herum, durch den Wald. Blumenrabatten wechselten sich mit blühenden Sträuchern ab, die ihre ganze Kraft dem nahenden Herbst, mit einer Farbenvielfalt entgegenhielten, als würden sie somit den Sommer verlängern können. Was ihnen auch in diesem Jahr glückte. Regine führte sie um das gesamte Gebäude herum. Bis sie an der Auffahrt angelangt waren. Sie war beeindruckend, wie auch der Blick auf die weiße Fassade der Klinik. Balkone gab es auf dieser Seite nicht. Dafür waren die Fenster noch größer als auf der Südseite. Licht spielte eine große Rolle in diesem Haus. Alles war lichtdurchflutet, hell, weiß, aus Glas und mit Silber schimmerndem Chrom und Edelstahl durchzogen. Modern und dennoch auf Althergebrachtem aufgebaut. Die Form des Hauses, die Gestaltung der Auffahrt, Gardens Arbeitszimmer, obwohl alles eindeutig neuerem Ursprungs stammte, ließ doch einen Hang, vielleicht sogar eine Liebe, zu den Dingen der Vergangenheit erkennen. Ja, selbst Garden wirkte ein wenig wie der Hausherr, Schlossbesitzer, der über die Menschen seiner Umgebung bestimmte, als wären sie, sein Eigentum. In der vierten Etage des Westflügels war es deutlich ruhiger, als auf den Etagen darunter. Hier kam ihnen kein Patient auf dem Flur entgegen. Bewohnte sie etwa diese Etage alleine? Als sie wieder vor Lisas Zimmer angelangt waren, ließ Regine sie eintreten und holte ein Schlüsselbund aus ihrer Kitteltasche hervor. „Sie wollen mich doch nicht schon wieder einschließen, warum?” „Es dient zu ihrer eigenen Sicherheit. Wir wollen nicht dass sie sich noch einmal verlaufen. Wenn sie etwas länger hier bei uns sind, wird es dieser Maßnahme nicht mehr bedürfen. Mit diesen Worten schloss sie die Tür vor Lisas Nase zu, so dass Lisa nur noch ihre Schritte auf dem Gang hören konnte, die langsam immer leiser wurden, bis sie endgültig verhallten.
Sich allein überlassen, ließ sich Lisa auf ihr Bett fallen und ihren Gedanken freien Lauf. Diese wanderten sofort wieder zu dem unfassbaren Prozess des Klonens. Ein Mensch wurde geklont, wer außer ihr wusste noch davon? Alle Menschen dieses Hauses? Wohl kaum. So konnte es nicht lange ein Geheimnis bleiben. Oder gab es auch außerhalb dieses Gebäudes Wissen über das, was hier geschehen war? Das gesamte Haus, das Personal, die wenigen Patienten, die sie bis jetzt zu Gesicht bekommen hatte, alles war so hell, so weiß- die Kleidung- so gleich-! Sie bekam eine Gänsehaut. Wie viele von ihnen waren oder hatten Doppelgänger, wie viele von ihnen gab, oder gibt es heute, irgendwo da draußen, in der Wirklichkeit? Nein, Petes Klon war der Erste. Vielleicht der Erste, das hieß noch lange nicht das er auch der einzige Klon war! Lisa musste so schnell wie möglich Antworten finden, sie musste sich in diesem riesigen Gebäudekomplex zu Recht finden. Sie musste jede Gelegenheit die sich ihr bot nutzen, um so viel wie möglich zu erfahren. Und dann gab es noch die Frage, wie sie hier wieder herauskommen konnten. Und damit meinte sie nicht nur sich selbst. Sie versuchte diesen Gedanken zu verdrängen, noch war es zu früh um an fortgehen zu denken, sie hatte sich entschieden zu bleiben. Doch ihr war auch klar, dass das Ergebnis über die Dauer ihres Aufenthaltes entscheiden würde. Ihre, und auch seine Freiheit hing von seiner „Erinnerung” ab. Es gab, soweit sie bis jetzt wusste, nur einen Eingang und Ausgang. Das Haupttor. Wahrscheinlich war es Tag und Nacht besetzt. Sie konnte nur hoffen, dass sie es passieren durfte, wenn sie danach verlangte.
Kapitel 12: Im Park II
Der Kies knirschte unter ihren neuen Schuhen.
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