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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Titel: Die Liebe in den Zeiten der Cholera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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im selben Bett zu schlafen und zwei Schicksale gemeinsam zu haben, die sich womöglich noch in unterschiedliche Richtungen entwickelten. Er pflegte zu sagen: »Das Problem der Ehe ist, daß sie jede Nacht nach der Umarmung endet und jeden Morgen vor dem Frühstück wieder neuaufgebaut werden muß.« Schlimmer noch war es in ihrer Ehe, aus zwei gegnerischen Klassen hervorgegangen, und das in einer Stadt, die noch von der Rückkehr der Vizekönige träumte. Der einzig mögliche Kitt war etwas so Unwahrscheinliches und schwer Greifbares wie die Liebe, wenn es sie gab, und in ihrem Fall hatte es sie bei der Hochzeit flicht gegeben, und das Schicksal hatte nicht mehr getan, als sie mit der Wirklichkeit zu konfrontieren, gerade als sie im Begriff waren, sich ihre Liebe zu erfinden.
    So sah ihrer beider Leben zur Zeit der Harfe aus. Weit zurück lagen die köstlichen Zufälle, wenn sie, während er gerade badete, hereinkam, und er trotz der Streitereien, der giftigen Auberginen und trotz der verrückten Schwestern und der Mutter noch genug Liebe hatte, um sie zu bitten, ihn abzuseifen. Sie machte sich mit den Resten von Liebe daran, die ihr noch aus Europa geblieben waren, und beide ließen sich nach und nach von den Erinnerungen umgarnen, wurden weich, ohne es zu wollen, liebten sich, ohne es zu sagen, und vergingen schließlich vor Liebe auf dem Boden, die Haut voll von duftendem Schaum, und hätten dabei die Dienstmädchen in der Waschküche über sie reden hören können: »Die kriegen keine Kinder mehr, weil sie nicht mehr aufeinandersteigen.« Ab und zu, wenn sie von einem ausgelassenen Fest heimkamen, streckte sie die hinter der Tür lauernde Sehnsucht mit einem Prankenschlag nieder, und dann ereignete sich eine wundersame Explosion, alles war wie früher, und fünf Minuten lang wurden sie wieder das schamlose Liebespaar des Honigmonds. Doch von solchen seltenen Gelegenheiten abgesehen, war einer immer müder als der andere, wenn es Zeit wurde, zu Bett zu gehen. Sie trödelte im Badezimmer, wo sie sich mit parfümiertem Papier ihre Zigaretten drehte, allein rauchte und sich wieder ersatzweise mit sich selbst verlustierte, wie damals bei sich daheim, als sie jung und frei war und allein über ihren Körper bestimmen konnte. Immer hatte sie Kopfweh, oder es war immer zu heiß, oder sie stellte sich schlafend, oder sie hatte wieder einmal die Regel, die Regel, immer die Regel. Das führte dazu, daß Doktor Urbino, um sich einmal ohne Beichte Luft zu machen, in der Vorlesung die Behauptung wagte, daß Frauen nach zehnjähriger Ehe bis zu dreimal wöchentlich ihre Periode hätten. Im für sie schwersten Jahr mußte sich Fermina Daza, Unglück über Unglück, einer früher oder später unvermeidlichen Entdeckung stellen: der Wahrheit über die märchenhaften und ihr stets unbekannten Geschäfte ihres Vaters. Der Provinzgouverneur, der Juvenal Urbino in sein Büro kommen ließ, um ihn von den Machenschaften seines Schwiegervaters in Kenntnis zu setzen, faßte diese in einem Satz zusammen: »Es gibt kein göttliches oder menschliches Gesetz, das dieser Kerl nicht mit Füßen getreten hätte.« Einige seiner übelsten Gaunereien hatte er im Windschatten der Macht seines Schwiegersohns vollbracht, so daß es nicht ohne weiteres glaubhaft war, daß dieser und seine Frau nicht darüber Bescheid gewußt hatten. Doktor Urbino war klar, daß es allein seinen Ruf zu schützen galt, denn der allein bedeutete noch etwas, also legte er seinen ganzen Einfluß in die Waagschale, und es gelang ihm, mit seinem Ehrenwort den Skandal zu vertuschen. Lorenzo Daza verließ mit dem ersten Schiff das Land, um niemals wiederzukehren. Er fuhr in seine Heimat, als handele es sich um eine jener kleinen Reisen, die man hin und wieder unternimmt, um dem Heimweh etwas vorzumachen, doch dieser äußerliche Schein trog nicht ganz: Schon seit einiger Zeit war er immer auf die Schiffe aus seiner Heimat gestiegen, nur um ein Glas Wasser aus den Fässern zu trinken, die an den Quellen seines Geburtsortes gefüllt worden waren. Er ging, ohne klein beizugeben, beteuerte weiter seine Unschuld und versuchte den Schwiegersohn noch davon zu überzeugen, daß er das Opfer einer politischen Verschwörung sei. Er ging und weinte um die Kleine, wie er Fermina Daza seit ihrer Heirat nannte, weinte um den Enkel, um das Land, in dem er reich und frei geworden war und die Heldentat vollbracht hatte, durch trübe Geschäfte aus der Tochter eine vornehme Dame gemacht zu

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