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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Titel: Die Liebe in den Zeiten der Cholera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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Doktor Urbino wußte, daß sie auf das kleinste Geräusch von seiner Seite wartete und daß sie ihm dafür sogar dankbar war, konnte sie dann doch jemanden beschuldigen, sie um fünf Uhr früh geweckt zu haben. Das ging so weit, daß sie bei den wenigen Gelegenheiten, wenn er im Dunkeln herumtasten mußte, weil er die Pantoffeln nicht an ihrem angestammten Platz fand, plötzlich mit verschlafener Stimme sagte: »Du hast sie gestern nacht im Badezimmer gelassen.« Und sofort schimpfte sie, die Stimme wach vor Wut: »Das ärgste Übel in diesem Haus ist, daß man nicht ausschlafen kann.«
    Dann warf sie sich herum, zündete ganz ohne Selbsterbarmen das Licht an, glücklich über den ersten Sieg des Tages. Im Grunde war es ein Spiel der beiden, mythisch und pervers, doch gerade deshalb tröstlich: eine der vielen gefährlichen Freuden der domestizierten Liebe. Wegen eines dieser trivialen Spielchen hätten jedoch die ersten dreißig Jahre gemeinsamen Lebens fast ein Ende genommen, denn eines schönen Tages war keine Seife im Badezimmer. Es begann mit routinemäßiger Schlichtheit. Doktor Juvenal Urbino war ins Schlafzimmer zurückgekehrt, damals badetete er noch selbständig, und begann, ohne Licht zu machen, mit dem Anziehen. Sie befand sich wie immer zu dieser Stunde in ihrem lauen Fötalzustand, die Augen geschlossen, der Atem flach und ein Arm wie bei einem Sakraltanz über dem Kopf. Aber wie immer lag sie im Halbschlaf da, und er wußte es. Nach einem langen Geraschel von gestärktem Leinen in der Dunkelheit sprach Doktor Urbino zu sich selbst: »Seit etwa einer Woche bade ich jetzt schon ohne Seife.« Da wachte sie endgültig auf, dachte kurz nach und entbrannte vor Wut auf die Welt, denn sie hatte in der Tat vergessen, ein neues Stück Seife ins Badezimmer zu legen. Drei Tage zuvor hatte sie das, als sie schon unter der Dusche stand, bemerkt, hatte den Mangel später beheben wollen, es dann aber bis zum nächsten Tag vergessen. Am dritten Tag war ihr dasselbe passiert. In Wirklichkeit war nicht eine Woche vergangen, wie er sagte, um ihre Schuld zu erschweren, aber es waren doch drei unverzeihliche Tage, und die Wut darüber, bei einem Fehler ertappt worden zu sein, machte sie wild. Wie immer war ihre Verteidigung ein Angriff.
    »Ich habe täglich gebadet«, schrie sie außer sich, »und immer war Seife da.«
    Obwohl ihre Kriegstaktik ihm sattsam bekannt war, wollte er sie diesmal nicht hinnehmen. Unter irgendeinem beruflichen Vorwand zog er im Hospital de la Misericordia in ein Zimmer der internen Ärzte und erschien nur gegen Abend daheim, um sich für seine Hausbesuche umzuziehen. Wenn sie ihn kommen hörte, ging sie in die Küche, gab vor, irgend etwas zu tun, und blieb dort, bis sie wieder das Hufeklappern der Kutschenpferde hörte. Jedesmal wenn sie in den folgenden drei Monaten versuchten, die Verstimmung zu beheben, erreichten sie nur, sie neu zu beleben. Er war nicht bereit, zurückzukommen, solange sie nicht zugab, daß keine Seife im Bad gewesen war, und sie war nicht bereit, ihn zu empfangen, solange er nicht eingestand, wissentlich gelogen zu haben, um sie zu quälen.
    Der Zwischenfall gab ihnen selbstverständlich Gelegenheit, an andere zu denken, an viele winzige Streitfälle bei vielen anderen trüben Tagesanbrüchen. Eine Bitterkeit rührte die andere auf, öffnete alte Narben, machte frische Wunden daraus, und beide erschraken bei der betrüblichen Feststellung, daß sie in so vielen Jahren der Ehescharmützel nicht viel mehr getan hatten, als ihren Groll zu pflegen. Er schlug sogar vor, sie sollten sich gemeinsam einer offenen Beichte unterziehen, wenn nötig vor dem Erzbischof, damit Gott als letzte Instanz entscheide, ob Seife im Seifenbehälter des Bads gewesen war oder nicht. Worauf ihr, die sich sonst so gut im Zaum hielt, der historisch gewordene Ausruf durchging: »Scheiß auf den Herrn Erzbischof!«
    Die Schmähung erschütterte die Stadt bis in ihre Grundfesten, ließ Gerüchte entstehen, die nicht leicht von der Hand zu weisen waren, und wurde im Zarzuelaklang dem Volksmund einverleibt: »Scheiß auf den Herrn Erzbischof!« Im Bewußtsein, den Bogen überspannt zu haben, kam sie der erwarteten Reaktion ihres Mannes zuvor, indem sie ihm androhte, allein in das alte Haus ihres Vaters zu ziehen, das an öffentliche Ämter vermietet war, aber noch ihr gehörte. Das war keine leere Drohung: Sie wollte wirklich gehen, ohne sich um den gesellschaftlichen Skandal zu scheren, und ihr Mann

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