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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Titel: Die Liebe in den Zeiten der Cholera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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hören. Sie weigerte sich, höflich, aber bestimmt, und betonte ausdrücklich, sie habe nichts zu bereuen. Obwohl sie es nicht in dieser Absicht gesagt hatte, zumindest nicht bewußt, dachte sie sich später, daß ihre Antwort schon dahingelangen würde, wo sie hin sollte.
    Doktor Juvenal Urbino pflegte nicht ohne einen gewissen Zynismus zu behaupten, seine Frau, nicht er sei schuld an jenen zwei bitteren Jahren seines Lebens, wegen ihrer schlechten Angewohnheit, an den Kleidungsstücken, die sie selbst oder die Familie ausgezogen hatten, zu schnüffeln, um dann vom Geruch her zu entscheiden, ob diese, wenngleich auf den ersten Blick sauber, nicht doch gewaschen werden müßten. Sie hatte das schon als Kind getan und nie gedacht, daß es besonders auffiele, bis ihr Mann es dann noch in der Hochzeitsnacht bemerkt hatte. Er merkte auch, daß sie sich mindestens dreimal am Tag im Bad einschloß, um zu rauchen, doch das erschien ihm nicht weiter auffällig, denn die Frauen in seinen Kreisen schlössen sich gern gruppenweise ein, um über Männer zu reden, zu rauchen und sogar billigen Fusel zu trinken, bis sie stockbesoffen am Boden lagen. Die Gewohnheit aber, alle Wäschestücke, die sie auf ihrem Weg fand, zu beschnüffeln, erschien ihm nicht nur unpassend, sondern sogar gesundheitsgefährdend. Sie faßte seine Bemerkungen als Scherz auf, wie alles, über das sie nicht diskutieren wollte, und meinte nur, Gott habe ihr die Nase nicht bloß als Verzierung in ihr Goldamselgesicht gesetzt. Eines Morgens, sie war gerade beim Einkaufen, hatten die Dienstboten die ganze Nachbarschaft auf der Suche nach dem dreijährigen Sohn in Aufregung versetzt, der in keinem Winkel des Hauses zu finden war. Sie war während der allgemeinen Panik eingetroffen, hatte wie ein Spürhund zwei oder drei Runden gedreht und den schlafenden Sohn in einem Kleiderschrank gefunden, wo ihn niemand vermutet hatte. Als ihr verblüffter Mann sie später fragte, wie sie ihn denn aufgestöbert habe, antwortete sie: »Ich bin dem Kackegeruch nachgegangen.« In Wirklichkeit gebrauchte sie den Geruchssinn nicht nur für die schmutzige Wäsche oder um verlorene Kinder wiederzufinden: Er war ihr Orientierungssinn in allen Lebensbereichen, vor allem in Gesellschaft. Juvenal Urbino hatte dies im Laufe seiner Ehe beobachten können, besonders zu Anfang, als man sie noch für einen Eindringling in einem Kreis hielt, der sie seit drei Jahrhunderten ausgeschlossen hatte, in dem sie sich aber dennoch wie zwischen spitzen Korallenriffen bewegte, ohne mit jemandem zusammenzustoßen, und das mit einer Weltläufigkeit, die nur einem übernatürlichen Instinkt geschuldet sein konnte. Diese beängstigende Fähigkeit, die ihren Ursprung in tausendjähriger Weisheit, aber auch in einem Herz aus Kieselstein haben konnte, erfuhr an einem bösen Sonntag ihre Unglücksstunde, als Fermina Daza vor der Messe aus reiner Routine an den Kleidern schnüffelte, die ihr Mann am Abend zuvor getragen hatte, wobei sie das beunruhigende Gefühl beschlich, einen anderen Mann im Bett gehabt zu haben.
    Sie roch erst an Jackett und Weste, während sie die Uhrkette aus dem Knopfloch löste und den Füller, die Brieftasche und ein paar lose Münzen aus den Taschen nahm und auf den Toilettentisch legte, dann beschnüffelte sie das Oberhemd, während sie die Krawattenklemme abnahm und die Topasmanschettenknöpfe aus den Manschetten sowie den Goldknopf aus dem Zelluloidkragen entfernte, dann roch sie an der Hose, als sie den Schlüsselbund mit den elf Schlüsseln und das Taschenmesser mit Perlmuttintarsien herausnahm, und roch zuletzt an den Unterhosen, den Socken und dem Leinentaschentuch mit eingesticktem Monogramm. Es gab nicht den Hauch eines Zweifels: An jedem einzelnen Stück haftete ein in so vielen Jahren gemeinsamen Lebens nie wahrgenommener Geruch, und da er nicht von Blumen oder künstlichen Essenzen herrührte, konnte er nur von etwas kommen, das zur menschlichen Natur gehörte. Sie sagte nichts, entdeckte den Geruch auch nicht täglich wieder, schnüffelte nun aber nicht mehr an der Kleidung ihres Mannes, um zu erfahren, ob sie gewaschen werden mußte, sondern mit einer unerträglichen inneren Unruhe, die sich ihr bis in die Eingeweide fraß.
    Fermina Daza wußte nicht, wo sie innerhalb der täglichen Routine ihres Mannes den Geruch der Kleidung einordnen sollte. Zwischen der Morgenvorlesung und dem Mittagessen konnte es nicht sein, da sie davon ausging, daß keine halbwegs vernünftige

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