Die Liebe in den Zeiten der Cholera
sich irgendwie die Hände und murmelte: »Danke, lieber Gott, danke, wie gut du bist!« Ihr fiel ein, daß sie wegen dieser verdammten Auberginen, um welche die Kusine Hildebranda sie gebeten hatte, ohne ihr zu sagen, wer zum Mittagessen erwartet würde, noch nicht ihr Bad genommen hatte, dachte, daß sie alt und häßlich sei, das Gesicht sich von der Sonne schälte, daß er bereuen könnte, gekommen zu sein, wenn er sie in dieser Verfassung sähe, verdammt. Doch sie trocknete so gut wie möglich die Hände an der Schürze ab, brachte sich so gut wie möglich in Fasson, und nahm, um ihr verrückt schlagendes Herz zu bändigen, den ganzen Stolz zusammen, mit dem ihre Mutter sie zur Welt gebracht hatte, und dann schritt sie mit ihrem sanften Rotwildgang dem Mann entgegen, das Haupt erhoben, mit klarem Blick und der kriegslustigen Nase, sie war dem Schicksal dankbar für die unendliche Erleichterung, heimkehren zu dürfen, aber das war natürlich nicht so einfach, wie er sich das dachte, denn sie ging zwar glücklich mit ihm, natürlich, war aber auch entschlossen, ihn im stillen für die bitteren Leiden zahlen zu lassen, die sie beinahe das Leben gekostet hatten.
Fast zwei Jahre nach dem Verschwinden Fermina Dazas ereignete sich einer jener unmöglichen Zufalle, die Tránsite Ariza als Hohn Gottes bezeichnet hätte. Florentino Ariza war von der Erfindung des Kinos nicht besonders beeindruckt gewesen, ließ sich damals jedoch widerstandslos von Leona Cassiani zur spektakulären Erstaufführung des Films Cabiria schleppen, der berühmt für seine von dem Dichter Gabriele D'Annunzio geschriebenen Dialoge war. In dem großen zum Himmel offenen Patio von Don Galileo Daconte, wo man in manchen Nächten mehr den Glanz der Sterne als die stummen Leinwandliebschaften genoß, drängte sich ein erlesenes Publikum. Leona Cassiani verfolgte atemlos die dramatischen Ereignisse der Geschichte. Florentino Ariza hingegen war kurz davor, unter der erdrückenden Schwere des Dramas einzunicken. Hinter ihm schien eine Frauenstimme seine Gedanken auszusprechen: »Du lieber Gott, das ist ja endloser als der Schmerz.« Das war alles, was sie, vielleicht eingeschüchtert vom Hall ihrer Stimme im Halbdunkel, sagte, der Brauch, Filme mit Klavierbegleitung auszuschmücken, hatte sich hier nämlich noch nicht durchgesetzt, und im dämmrigen Zuschauerraum war nur das regnerische Surren des Projektors zu hören. Florentino Ariza dachte sonst höchstens in ganz schwierigen Situationen an Gott, diesmal aber dankte er ihm von ganzem Herzen. Denn selbst zwanzig Klafter unter der Erde hätte er sofort den matten Metallklang dieser Stimme erkannt, den er seit jenem Nachmittag im Herzen trug, als er sie in der Hut gelber Blätter eines einsamen Platzes hatte sagen hören: »Gehen Sie jetzt, und kommen Sie erst wieder, wenn ich Ihnen Bescheid gebe.« Er wußte, daß sie in der Reihe hinter ihm neben dem unvermeidlichen Ehemann saß, er spürte den lauen und gelassenen Atem und sog liebevoll die von ihrem gesunden Hauch gereinigte Luft ein. Er spürte sie nicht so, wie er sie sich in der Niedergeschlagenheit der letzten Monate vorgestellt hatte, nämlich von Todesmotten zerfressen, sondern beschwor sie wieder in ihrem strahlend glücklichen Lebensalter, mit dem vom Keim des ersten Kindes gewölbten Bauch unter der Tunika der Minerva. Es war ihm, als sähe er sie vor sich, ohne sich umdrehen zu müssen, und die historischen Schrecken, die über die Leinwand fluteten, erreichten ihn nicht. Er ergötzte sich an dem Mandelduft, durch den ein intimer Hauch von ihr zu ihm zurückströmte, und hätte zu gern gewußt, wie sich ihrer Meinung nach die Filmfrauen zu verlieben hatten, damit die Liebe nicht so wehtat wie im Leben. Kurz vor dem Ende wurde ihm in aufblitzendem Jubel bewußt, daß er noch nie jemandem, den er so sehr liebte, so lange derart nah gewesen war. Als die Lichter angingen, wartete er, bis die anderen aufgestanden waren. Dann erhob er sich ohne Hast, drehte sich, während er seine Weste zuknöpfte, die er stets während der Vorstellung öffnete, zerstreut um, und nun standen die vier so nah beieinander, daß sie sich auf jeden Fall, selbst wenn einer von ihnen es nicht gewünscht hätte, begrüßen mußten. Juvenal Urbino begrüßte zuerst Leona Cassiani, die er gut kannte, und drückte dann Florentino Ariza mit der üblichen Freundlichkeit die Hand. Fermina Daza lächelte beide höflich an, höflich und nicht mehr, doch bewies ihr Lächeln
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