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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Titel: Die Liebe in den Zeiten der Cholera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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auf, ihr zur Patioterrasse zu folgen, wo es nicht so heiß sei. Er lehnte mit einem Ton ab, der für sie wie ein kläglicher Seufzer klang. »Bitte, kann es nicht morgen sein?« sagte er. Ihr fiel ein, daß morgen Donnerstag war, der feste Besuchstag von Lucrecia del Real del Obispo, aber sie nannte ihm eine endgültige Lösung: »Übermorgen um fünf.« Florentino Ariza dankte, schwenkte gerade noch zum Abschied den Hut und verschwand, ohne von dem Kaffee auch nur probiert zu haben. Sie blieb perplex in der Mitte des Salons zurück, ohne zu begreifen, was gerade geschehen war, bis am Ende der Straße das Knattern des Automobils verklungen war. Florentino Ariza suchte sich auf dem Rücksitz die am wenigsten schmerzhafte Stellung, schloß die Augen, lockerte die Muskeln und überließ sich seinem Körper. Der Chauffeur, den nach so vielen Jahren in Florentino Arizas Diensten nichts mehr überraschte, blieb ungerührt. Als er ihm vor dem Hauseingang den Türschlag öffnete, sagte er jedoch: »Passen Sie auf, Don Floro, das könnte Cholera sein.« Es war aber dasselbe wie immer. Florentino Ariza dankte Gott dafür, als ihn am Freitag Punkt fünf Uhr das Dienstmädchen durch den dämmrigen Salon zur Patioterrasse führte und er dort Fermina Daza an einem für zwei Personen gedeckten Tischchen sah. Sie bot ihm Tee, Schokolade oder Kaffee an. Florentino Ariza bat um Kaffee, sehr heiß und sehr stark, und sie befahl dem Mädchen: »Für mich wie immer.« Wie immer, das war ein starker Aufguß verschiedener orientalischer Teesorten, den sie nach der Siesta zum Aufmuntern trink. Als sie den Teetopf und er die Kaffeekanne geleert hatte, hatten beide schon mehrere Themen angeschnitten und wieder fallengelassen, nicht weil sie tatsächlich daran interessiert gewesen wären, sondern um andere zu umgehen, die weder er noch sie zu berühren wagten. Beide waren verschüchtert und wußten nicht, was sie so fern ihrer Jugend auf der im Schachbrettmuster gefliesten Terrasse eines herrenlosen Hauses zu suchen hatten, das noch nach Friedhofsblumen duftete. Sie saßen sich zum ersten Mal so nah gegenüber und hatten nach einem halben Jahrhundert Zeit, sich in Ruhe anzusehen, und sahen einander als das, was sie waren: Zwei alte Menschen, auf die der Tod lauerte, die nichts gemein hatten, außer der Erinnerung an eine ephemere Vergangenheit, die schon nicht mehr ihre eigene, sondern die zweier entschwundener junger Leute war, die ihre Enkel hätten sein können. Sie dachte, er würde sich nun endlich davon überzeugen, wie wirklichkeitsfern sein Traum war, und das werde ihn von seiner Dreistigkeit erlösen. Um peinliche Pausen und unerwünschte Themen zu vermeiden, stellte sie ihm naheliegende Fragen über die Flußdampfer. Kaum zu glauben, daß er als Reeder nur einmal damit gereist war, und das vor vielen Jahren, als er mit dem Unternehmen noch nichts zu tun gehabt hatte. Sie kannte den Grund für jene Reise nicht, und er hätte seine Seele dafür gegeben, wenn er ihn ihr hätte sagen können. Auch sie kannte den Fluß nicht. Ihr Mann hatte die allgemeine Abneigung gegen die Andenluft geteilt und sie mit unterschiedlichen Argumenten kaschiert: die für das Herz gefährliche Höhe, das Risiko einer Lungenentzündung, die Falschheit der Menschen dort, die Ungerechtigkeiten des Zentralismus. Also kannten sie die halbe Welt, aber nicht das eigene Land. Neuerdings flog ein Wasserflugzeug der Marke Junkers wie ein Grashüpfer aus Aluminium mit zwei Mann Besatzung, sechs Passagieren und den Postsäcken von Städtchen zu Städtchen den Magdalena entlang. Florentino Ariza bemerkte: »Das Ding kommt mir wie ein Sarg in der Luft vor.« Sie hatte ohne jede Angst die erste Ballonfahrt mitgemacht, konnte jedoch selbst kaum glauben, daß tatsächlich sie sich auf ein solches Abenteuer eingelassen hatte. Sie sagte: »Das war etwas anderes.« Und wollte damit sagen, daß sie, und nicht die Art zu reisen, sich verändert habe.
    Sie wurde manchmal vom Geräusch der Flugzeuge überrascht. Sie hatte sie am hundertsten Todestag des Befreiers ganz tief vorbeifliegen und akrobatische Kunststückchen vollführen sehen. Schwarz wie ein riesiger Geier hatte dabei eins die Hausdächer in La Manga gestreift, einen Flügel an einem Baum in der Nachbarschaft verloren und war schließlich in den Stromdrähten hängengeblieben. Doch auch danach hatte Fermina Daza die Existenz von Flugzeugen innerlich noch nicht verarbeitet. Und in den vergangenen Jahren war sie nicht so

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