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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Titel: Die Liebe in den Zeiten der Cholera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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neugierig gewesen, das sie sich an der Manzanillo-Bucht angesehen hätte, wie die Wasserflugzeuge niedergingen, nachdem die Boote der Wasserwacht die Fischerkanus und die immer zahlreicheren Ausflugsboote vertrieben hatten. Trotz ihres Alters war sie dazu ausersehen gewesen, Charles Lindbergh mit einem Rosenstrauß auf seinem »Flug des guten Willens« zu empfangen, und sie hatte nicht begriffen, wie ein so großer, so blonder und so gut aussehender Mann sich in einem Apparat, der aus zerknittertem Blech gemacht zu sein schien und den zwei Mechaniker beim Start an der Schwanzflosse anschieben mußten, in die Lüfte erheben konnte. Der Gedanke, daß Flugzeuge, die nicht viel größer waren, bis zu acht Personen transportieren konnten, wollte ihr nicht in den Kopf. Dagegen hatte sie gehört, daß die Reisen auf den Flußdampfern der reine Genuß seien, da diese nicht so schaukelten wie die Schiffe auf See, dafür allerdings auch ernsteren Gefahren wie Sandbänken oder Überfällen von Banditen ausgesetzt seien. Florentino Ariza erklärte ihr, das seien alles Legenden aus längst vergangener Zeit: Die modernen Schiffe hätten einen Tanzsaal und Kabinen, die so geräumig und luxuriös wie Hotelzimmer seien, mit eigenem Bad und elektrischem Ventilator, und bewaffnete Überfälle habe es seit dem letzten Bürgerkrieg nicht mehr gegeben. Er erklärte ihr außerdem mit der Befriedigung des persönlichen Triumphes, diese Fortschritte seien in erster Linie auf den freien Schiffsverkehr zurückzuführen, für den er sich eingesetzt und der den Wettbewerb stimuliert habe: Statt eines einzigen Unternehmens gab es jetzt drei, die alle sehr rührig und erfolgreich waren. Dennoch, die schnellen Fortschritte in der Luftfahrt stellten für sie alle eine reale Gefahr dar. Sie versuchte ihn zu trösten: Schiffe werde man immer brauchen, denn so viele Verrückte gäbe es nicht, die bereit seien, in einen Apparat zu steigen, der wider die Natur zu sein schien. Zuletzt sprach Florentino Ariza von den Fortschritten im Postverkehr, sowohl bei der Beförderung wie auch bei der Zustellung, und versuchte so, sie dazu zu bringen, über seine Briefe zu sprechen. Aber das erreichte er nicht.
    Wenig später ergab sich die Gelegenheit jedoch von selbst. Sie hatten sich weit vom Thema entfernt, als ein Dienstmädchen sie unterbrach, um Fermina Daza einen Brief zu übergeben, der soeben von dem Städtischen Sonderpostdienst gebracht worden war, eine neue Einrichtung, die das gleiche Zustellungssystem wie der Telegrammdienst hatte. Wie immer konnte Fermina Daza ihre Lesebrille nicht finden. Florentino Ariza blieb gelassen.
    »Das ist auch nicht nötig«, sagte er, »der Brief ist von mir.« So war es. Er hatte ihn am Tag zuvor in einem Zustand fürchterlicher Niedergeschlagenheit geschrieben, weil er die Schmach seines ersten fehlgeschlagenen Besuchs nicht verwinden konnte. Er entschuldigte sich dann für die Dreistigkeit, daß er versucht hatte, sie unangemeldet zu besuchen, und verzichtete darauf, je wiederzukommen. Er hatte den Brief, ohne lange nachzudenken, eingeworfen, und als er es sich dann noch einmal überlegte, war es schon zu spät gewesen, es rückgängig zu machen. Eine derart ausführliche Erklärung erschien ihm jedoch nicht nötig. Er bat Fermina Daza um den Gefallen, den Brief nicht zu lesen. »Gewiß«, sagte sie, »schließlich gehören Briefe dem, der sie schreibt, nicht wahr?« Er ging einen Schritt weiter.
    »So ist es«, sagte er, »deshalb gibt man bei einem Bruch auch als erstes die Briefe zurück.«
    Sie überging die Anspielung, reichte ihm den Brief und sagte: »Schade, daß ich ihn nicht lesen kann, die anderen haben mir nämlich viel gegeben.« Er atmete tief durch, überrascht darüber, daß sie so spontan sehr viel mehr gesagt hatte, als er erwartet hätte. Er sagte: »Sie können sich nicht vorstellen, wie glücklich mich das macht.« Sie aber wechselte das Thema, und er schaffte es nicht, daß sie es im weiteren Laufe des Nachmittags noch einmal aufnahm. Er verabschiedete sich kurz nach sechs Uhr, als im Haus die Lichter angezündet wurden. Er fühlte sich nun sicherer, machte sich allerdings keine allzu großen Illusionen, da er das wetterwendische Gemüt und die unvermuteten Reaktionen der zwanzigjährigen Fermina Daza nicht vergessen hatte und es keinen Grund zu der Annahme gab, daß sie sich geändert hätte. Daher wagte er nur, aufrichtig bescheiden zu fragen, ob er ein andermal wiederkommen dürfe, und wieder

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