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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Titel: Die Liebe in den Zeiten der Cholera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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Vermögen hinter den Spiegeln verstecken können. Das war alles, was Doktor Urbino seiner Frau erzählte, nachdem er sich dem Gouverneur gegenüber verpflichtet hatte, den Schwiegervater in dessen Heimat zurückzuschicken, damit der Skandal nicht herauskam. Die Zeitung aber berichtete weit mehr.
    Sie schrieb, daß Lorenzo Daza in einem der vielen Bürgerkriege des vergangenen Jahrhunderts als Vermittler zwischen der Regierung des liberalen Präsidenten Aquileo Parra und einem gewissen Joseph K. Korzeniowski aufgetreten sei, einem Polen, der mit der Besatzung des unter französischer Flagge fahrenden Handelsschiffs Saint Antoine bei dem Versuch, ein verwickeltes Waffengeschäft unter Dach und Fach zu bringen, mehrere Monate lang hiergeblieben war. Korzeniowski, der später unter dem Namen Joseph Conrad in aller Welt berühmt werden sollte, hatte irgendwie Kontakt mit Lorenzo Daza aufgenommen, der ihm dann die Waffenladung auf Rechnung der Regierung mit vorschriftsmäßigen Frachtscheinen und Quittungen für bares Gold abgekauft hatte. Die Zeitung behauptete, Lorenzo Daza habe die Waffen nach einem kaum glaubhaften Überfall als gestohlen gemeldet und sie zum doppelten Preis an die mit der Regierung Krieg führenden Konservativen verkauft. La Justicia berichtete auch, daß Lorenzo Daza zu der Zeit, als General Rafael Reyes die Kriegsmarine gegründet hatte, eine Restladung Stiefel des englischen Heeres zu einem äußerst niedrigen Preis aufgekauft habe und allein durch dieses Geschäft sein Vermögen in sechs Monaten habe verdoppeln können. Der Zeitung zufolge hatte Lorenzo Daza, als die Fracht den hiesigen Hafen erreicht hatte, die Annahme verweigert, da die Lieferung nur die Stiefel für den rechten Fuß enthielt, und war dann als einziger Interessent bei der Versteigerung, die von der Zollbehörde nach geltenden Vorschriften anberaumt worden war, aufgetaucht, um das Kontingent für symbolische einhundert Pesos zu kaufen. Zur gleichen Zeit hatte einer seiner Komplizen zu ähnlichen Bedingungen die Lieferung linker Stiefel erstanden, die bei der Zollbehörde in Riohacha eingetroffen war. Als man die Stiefelpaare wieder zusammengefügt hatte, habe Lorenzo Daza, seine Verwandtschaft mit den Urbinos de la Calle nutzend, sie mit einem Gewinn von zweitausend Prozent an die neue Kriegsmarine verkauft.
    Der Bericht in La Justicia schloß mit der Behauptung, daß Lorenzo Daza zu Ende des letzten Jahrhunderts San Juan de la Ciénaga nicht etwa auf der Suche nach einem besseren Klima für die Zukunft seiner Tochter verlassen hatte, wie er gern erzählte, sondern weil er bei dem blühenden Geschäft ertappt worden war, importierten Tabak auf so geschickte Weise mit gehechseltem Papier zu versetzen, daß nicht einmal erfahrene Raucher den Betrug gemerkt hatten. Auch seine Verbindungen zu einer internationalen Geheimorganisation wurden enthüllt, deren lohnendste Aktivitäten zu Ende des Jahrhunderts im illegalen Einschleusen von Chinesen aus Panama bestanden hatten. Der verdächtige Maultierhandel hingegen, der Lorenzo Dazas Ruf so sehr geschadet hatte, schien der einzige ehrliche zu sein, den er je betrieben hatte. Als Florentino Ariza wieder aufstehen konnte und statt des Regenschirms erstmals einen Stock benützte, führte ihn sein erster Gang trotz des wunden Rückens in Fermina Dazas Haus. Sie wirkte fremd auf ihn, von den Spuren des Alters gezeichnet, von einer Verbitterung, die ihr allen Lebenswillen genommen hatte. Doktor Urbino Daza hatte Florentino Ariza in der Zeit der Verbannung zweimal besucht und ihm von der Verstörtheit der Mutter nach den beiden Veröffentlichungen in La Justicia erzählt. Die erste hatte in ihr eine solch unsinnige Wut über die Treulosigkeit des Ehemannes und den Verrat der Freundin ausgelöst, daß sie es ablehnte, wie sonst einmal monatlich an einem Sonntag das Familienmausoleum zu besuchen, denn es hätte sie um den Verstand gebracht, daß er in seinem Sarg die Schmähungen, die sie ihm zuschreien wollte, nicht hören konnte: Sie haderte mit dem Verstorbenen. Lucrecia del Real ließ sie durch wen auch immer, der es ihr sagen wollte, ausrichten, sie könne zufrieden sein, unter den vielen Gestalten, die durch ihr Bett gegangen, seien, wenigstens einen Mann gehabt zu haben. Was die Enthüllungen über Lorenzo Daza anging, so war nicht zu entscheiden, was sie mehr getroffen hatte, die Veröffentlichung an sich oder die späte Entdeckung der wahren Identität ihres Vaters. Doch eines von beiden

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