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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Titel: Die Liebe in den Zeiten der Cholera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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dann mit der linken Hand an der Leiter fest und- versuchte den Papagei mit der rechten zu packen. Digna Pardo, die alte Hausangestellte, kam gerade, um ihn darauf hinzuweisen, daß es höchste Zeit für das Begräbnis sei, sie sah den Mann, der auf der Leiter stand, von hinten und hätte nicht geglaubt, daß er derjenige war, der er war, wären nicht die grüngestreiften Hosenträger gewesen.
    »Heiliges Sakrament!« schrie sie. »Er wird sich umbringen!«
    Doktor Urbino packte mit einem Siegesseufzer den Papagei am Hals: ça y est. Doch sofort ließ er ihn wieder los, denn die Leiter rutschte ihm unter den Füßen weg. Einen Augenblick schwebte er in der Luft, und da wurde ihm klar, daß er starb, ohne Kommunion, ohne Zeit, irgend etwas zu bereuen oder von irgend jemandem Abschied zu nehmen, um vier Uhr und sieben Minuten am Nachmittag des Pfingstsonntags. Fermina Daza schmeckte gerade in der Küche die Suppe für das Abendessen ab, als sie den Entsetzensschrei von Digna Pardo, die Aufregung beim Personal und gleich auch die Nachbarn hörte. Sie warf den Probierlöffel weg und versuchte, so gut es mit dem unbesiegbaren Gewicht des Alters ging, zu rennen, und schrie wie eine Irre, ohne zu wissen, was unter dem Laubdach des Mangos geschah, und ihr Herz zersprang, als sie ihren Mann sah. Er lag auf dem Rücken, hingestreckt, im Schlamm, schon tot im Leben, wich jedoch noch für eine letzte Minute dem endgültigen Schlag des Todes aus, um ihr Zeit zu geben. Es gelang ihm noch, sie im Tumult zu erkennen, durch die Tränen des einmaligen Schmerzes, ohne sie sterben zu müssen, und er sah sie zum letzten Mal für immer und ewig an, mit Augen so licht, so traurig und so dankbar, wie sie in einem halben Jahrhundert gemeinsamen Lebens sie nie an ihm gesehen hatte, und mit dem letzten Atem sagte er ihr: »Nur Gott weiß, wie sehr ich dich geliebt habe.« Es war ein denkwürdiger Tod, und das nicht ohne Grund. Kaum hatte Doktor Juvenal Urbino seine Studien zur Spezialisierung in Frankreich abgeschlossen, machte er sich im Lande schon dadurch einen Namen, daß er mit neuartigen und drastischen Methoden die letzte Choleraepidemie, von der die Provinz heimgesucht wurde, beizeiten eindämmte. Die vorangegangene, zu der Zeit, als er noch in Europa weilte, hatte in weniger als drei Monaten einem Viertel der Stadtbevölkerung den Tod gebracht, darunter auch seinem Vater, der ebenfalls ein anerkannter Arzt gewesen war. Mit dem schnell errungenen Prestige und einem ordentlichen Zuschuß aus dem Familienvermögen gründete er die Medizinische Gesellschaft, die erste und für lange Zeit einzige in den karibischen Provinzen, und wurde ihr Präsident auf Lebenszeit. Er setzte den Bau des ersten Aquädukts durch, des ersten Kanalisationssystems und die Errichtung eines überdachten öffentlichen Marktes, woraufhin die Faulgrube der Bucht von Las Animas saniert werden konnte. Außerdem war er Präsident der Akademie für Sprache und der Akademie für Geschichte. Der römische Patriarch von Jerusalem ernannte ihn für seine der Kirche erwiesenen Dienste zum Ritter des Ordens vom Heiligen Grab, und die französische Regierung machte ihn zum Kommandeur der Ehrenlegion. Er war ein anregendes Element in jedweder konfessionellen oder gemeinnützigen Vereinigung der Stadt, insbesondere im Patriotischen Rat, der von einflußreichen, parteipolitisch unabhängigen Bürgern gebildet wurde und die Regierungen und den örtlichen Handel mit fortschrittlichen Anträgen unter Druck setzte, die ihrer Zeit weit vorauseilten. Am denkwürdigsten war der Start eines Freiluftballons, der auf seinem Jungfernflug einen Brief nach San Juan de la Ciénaga beförderte, lang bevor man an die Luftpost als an eine zweckmäßige Möglichkeit dachte. Ebenfalls Doktor Urbinos Idee war das Kulturzentrum, aus dem die Akademie der schönen Künste hervorging, die bis heute im selben Gebäude fortbesteht, auch war er viele Jahre lang Schirmherr der Blumenspiele im April.
    Nur Doktor Juvenal Urbino war gelungen, was ein Jahrhundert lang unmöglich schien: die Restaurierung des Teatro de la Comedia, das seit der Kolonialzeit zur Hahnenkampfarena und zum Zuchtstall für Kampfhähne verkommen war. Dies war der Höhepunkt einer spektakulären Bürgerkampagne, die in der Stadt alle Schichten in die Pflicht nahm, eine Massenmobilisierung, von der manch einer glaubte, sie sei einer besseren Sache würdig gewesen. Wie auch immer, das neue Teatro de la Comedia wurde eingeweiht, als es

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