Die Liebe ist ein Daemon
weiter drehenden Karussell stehen. Ich sehe nur noch eine wild um mich herumhüpfende Horde und spüre den abgedrehten Beat, der wie ein einziger mächtiger Pulsschlag in meinen Beinen weitervibriert. Er reißt mich mit und ich bekomme eine irre Lust, weiterzutanzen und nichts anderes mehr zu tun, aber ich kann einfach nicht mehr.
Ich habe schrecklichen Durst. Der Cocktail hat einen seltsamen süßlichen und ekligen Geschmack in meinem Mund hinterlassen. Mein Hals kratzt und tut weh, es ist, als ob ihn tausend kleine Stecknadeln piksen würden.
Auf dem Tisch gibt es zwischen umgekippten Gläsern und leeren Flaschen keinen einzigen Tropfen Wasser mehr. Ich gehe ins Haus, am Wohnzimmer vorbei. Unglaublich, wie viele Menschen sich hier reinzwängen konnten … Leider kenne ich mich in Marcos Haus nicht besonders gut aus und habe nicht die geringste Ahnung, wo die Küche sein könnte.
Ich gehe den Flur entlang und öffne aufs Geratewohl eine Tür.
Und täusche mich gewaltig.
Es ist Marcos Zimmer, zumindest glaube ich das von der Einrichtung her.
|100| Und es ist nicht leer. Auf dem Bett sitzt jemand.
»Hi«, sagt er, klappt das Buch zu und lässt es in der Tasche seiner dunklen Jeans verschwinden.
Ich schaue ihn verblüfft an.
Er ist gekommen, es war also keine Einbildung.
Am liebsten würde ich die Tür sofort wieder zuknallen und abhauen. Aber dann mache ich es doch nicht, so viel Bedeutung will ich dem Ganzen auch wieder nicht geben und vor allem würde ihm das nur zeigen, wie wichtig er für mich ist.
»Hi«, grüße ich zurück. Meine Stimme scheint von weit her, wie aus einem anderen Zimmer zu kommen.
Wo hast du Lavinia gelassen? Und warum bist du hier?, würde ich ihn gerne fragen, aber ich verkneife es mir.
Er lächelt süßlich und ein wenig beängstigend.
»Ist es nicht komisch, dass wir zwei uns immer an den seltsamsten Orten über den Weg laufen?«, fragt er mich, als ob nichts wäre.
Ich antworte nicht oder sollte ich?
Er hebt eine Augenbraue hoch, die mit dem Piercing.
»Ich hab die Küche gesucht.«
Er nickt.
Ich würde so gerne fortgehen, aber es ist, als ob eine mir unbekannte Macht mich festhalten würde, und ich bewege mich nicht.
»Und du? Warum bist du …?«
»Marco hat mich eingeladen, aber ich mag diesen ganzen Trubel nicht besonders.«
|101| Er macht mit der Hand eine vage Bewegung, wie um auf etwas, was außerhalb des Zimmers stattfindet, zu zeigen.
Diesmal bin ich diejenige, die nickt.
»Wie gefällt es dir in eurem neuen Haus?«, frage ich ihn kühl. Er sieht mir eine Sekunde lang ganz direkt und bohrend in die Augen.
Er schweigt, dann bricht er in Lachen aus.
Was gibt es denn da zu lachen? Nichts, überhaupt nichts.
Er steht auf und kommt näher. Zu nah. Er stützt eine Hand gegen die Wand, an der ich lehne, und hält sein Gesicht ganz nah vor meins. Ich kann nicht zurück, ich kann nicht weglaufen.
»Willst du
das
wirklich wissen?«
Ich bleibe wie angewurzelt stehen.
»Wie es mir im neuen Haus gefällt?«, wiederholt er, um mich weiter zu provozieren.
Die Musik dringt gedämpft und von weit entfernt durchs Zimmer, es scheint, als ob uns Lichtjahre von der Party trennen würden.
»Möchtest du nicht viel lieber wissen, warum ich heute deine Freundin mitgenommen habe?«
Mein Herz setzt für einen Schlag aus und der Atem bleibt mir im immer noch brennenden Hals stecken.
Eine Sekunde lang stürze ich in größte Verlegenheit und einen Moment später kocht die Wut in mir hoch.
Was glaubst du eigentlich, wer du bist?
Für wen hältst du dich denn?
Und wer hat dich überhaupt irgendwas gefragt?
|102| Ich gehe raus und schlage die Tür hinter mir zu.
Ich laufe rasch den Gang entlang und lasse immer mehr Zimmer und geschlossene Türen zwischen mir und Federico. Ich trete in den Garten hinaus. Mein Hals tut mir noch mehr weh als vorher, von den vielen zornigen Tränen, die dort stecken geblieben sind.
Aber wo sind Ginevra und Lorenzo?
Draußen ist viel zu viel los. Zumindest was das betrifft, hatte Federico verdammt noch mal recht.
Ich greife mir irgendein Glas auf dem Tisch und trinke es in einem Zug leer, in der Hoffnung, damit das Feuer in meiner Kehle zu löschen.
Das war ein riesengroßer Fehler. Was auch immer da drin war, jetzt brennt es nur noch mehr. Ich verziehe mit Abscheu das Gesicht und stütze mich mit einer Hand auf dem Tisch ab. Mein Kopf dreht sich. Ich berühre meinen Hals, er fühlt sich an, als ob ihn eine Krawatte aus Feuer fest
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