Die Liebe ist ein Daemon
schließen möchte, stellt Signora Marcelli ihren Fuß dazwischen. Dafür, dass sie über achtzig ist, ist sie flink wie ein Wiesel.
»Vittoria, noch etwas. Dieser Typ hat mir überhaupt nicht gefallen.«
»Welcher Typ?«
Sie rückt ihre kleine silberfarbene Brille auf der Nase zurecht.
|87| »Ich habe gute Augen, ich sehe, was so vor sich geht.«
»Das würde nie jemand bezweifeln, Signora Marcelli.«
»Und ich habe einen guten Blick für Menschen. Dieser Typ da … er gefällt mir nicht, ich mochte sein Gesicht nicht … es sah so finster und irgendwie verdächtig aus. Er kam bis zu eurer Tür und dann ist er wieder gegangen.«
»Vielleicht war es der Postbote, Signora Marcelli.«
»Willst du mir damit sagen, dass ich nicht weiß, wie der Postbote aussieht?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Er war viel jünger und er trug einen Helm unter dem Arm. Er hatte so ein Ding an der Augenbraue … wie nennt ihr das noch einmal? Ein Pirfing!«
Ich werde blass.
»Ist alles in Ordnung, meine Liebe?«
»Entschuldigen Sie mich, Signora Marcelli, mir ist so kalt. Aber danke für die Information, auf Wiedersehen.«
Endlich gelingt es mir, die Tür zuzuziehen.
War Federico bei mir zu Hause?
Das heißt, war er an unserer Wohnungstür? Aber warum?
Sie hat sich sicherlich getäuscht.
Die Marcelli hat jedoch Ohren wie ein Luchs und Augen wie ein Adler. Sie sieht und hört alles und sie täuscht sich nie.
Aber was um alles in der Welt wollte er hier? Ich verstehe es nicht.
In diesem Moment bemerke ich einen Umschlag auf dem Boden.
|88| Ich bücke mich, um ihn aufzuheben. Es steht kein Absender darauf, es gibt keine Briefmarke und adressiert ist er auch nicht.
Ich öffne ihn.
Es steckt ein kleines, handbeschriebenes Blatt darin.
Erster Gefallen: Trockne dich ab und erkälte dich nicht.
Ich muss mich an der Tür festhalten, meine Beine zittern und das liegt gewiss nicht nur an meinen klatschnassen Hosen.
Ich reiße den Umschlag komplett auf.
Eine zweite scharlachrote Knospe fällt mir in die Hände.
Ich drehe den Zettel um. Er trägt keine Unterschrift, es gibt nur einen weiteren Satz.
Und bitte: Pass diesmal auf die Dornen auf!
Ich stelle die Rose zu der anderen, die in einer kleinen Vase auf meinem Schreibtisch steht. Sie ist schön, sehr schön, sogar zu schön. Und wie alle schönen Dinge kann sie dich verletzen, wenn du nicht aufpasst.
Die Rosen haben einen berauschenden Duft, aber auch spitze Dornen, die nur darauf warten, dich zu stechen. Die Sonne schenkt dir das Leben, aber wenn du anfängst, mit ihr zu spielen, verbrennt sie dich. Das Wasser kannst du trinken und du kannst in ihm
er
trinken, es erschafft und es zerstört.
Was schön ist, kann auch wehtun. Aber wenn es die schönen Dinge nicht mehr gibt, spürst du ihre Abwesenheit.
Ihre verdammte Abwesenheit.
Ich streichle leicht die Blütenblätter und passe dabei gut auf, die Dornen nicht zu berühren.
Bitte, bitte, ihr dürft niemals verwelken.
|89| DIE LIEBE IST EIN DÄMON
Heute beginnt der Tag mit einer großen Neuigkeit. Sie kommt aus unserer Klasse und schlängelt sich von dort aus durch die Korridore. Hüpft dann über das Eisentor und fliegt über den Schulhof weiter bis zum anderen Gebäude. Die Flüsterpost trägt sie weiter und sofort wissen es alle.
Marco gibt eine Party.
Es ist nicht nur eine Party.
Es ist eine Party bei Marco.
»Gehst du hin?«, frage ich Lorenzo während der Mathematikstunde.
»Ja, ich hab’s ihm versprochen.«
Schließlich ist Marco einer seiner besten Freunde.
Die Lehrerin blickt uns von der Seite an und ich tue so, als ob ich mich wieder in die Gleichung vertiefen würde, die ich gerade vergeblich zu lösen versuche.
»Dann komme ich auch …«
»Und wisst ihr, wer sonst noch alles kommt?«, fragt Ginevra.
»So ungefähr die ganze Schule, ihr wisst doch, dass Marco die Sachen gerne groß aufzieht.«
|90| Die ganze Schule?
Wirklich die ganze?
Mir ist schon eine mehr als wahrscheinliche Ausnahme eingefallen.
Aber vielleicht kommt er doch. Partys sind auch super, um neue Leute kennenzulernen.
Später, auf dem Schulparkplatz, haben Ginevra und ich gerade im Auto Platz genommen und wollen losfahren.
»Schau mal, ob keiner kommt«, bittet sie mich.
Während sie ausparkt, sehe ich durch den Seitenspiegel.
»Ich glaube, da … Nein, warte!«
Ein Motorrad rast rechts an uns vorbei.
Es ist sein Motorrad.
Aber …
Er ist nicht alleine.
Hinter ihm sitzt jemand und klammert sich
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