Die Liebe ist ein Daemon
warum zerbrichst du dir so den Kopf darüber?«
»Ich zerbreche mir nicht den Kopf, die anderen zerbrechen ihn sich, alle die, die in mir nur … jemanden sehen, dem etwas fehlt.«
»Es ist ganz normal, dass die Leute versuchen, dich in eine bestimmte Schublade zu stecken, sie machen das aus Angst. Sie fürchten sich vor dir, weil sie dich nirgendwo einordnen können.«
»Das verstehe ich nicht. Ich möchte in keine Schublade gesteckt werden, ist denn das zu viel verlangt?«
»Nein, aber manchmal geht es einfach nicht anders.«
»Wie meinst du das?«
»Also, stell dir mal vor, du bist ein Tiger, benimmst dich aber wie ein Kätzchen. Ganz wunderbar. Du bleibst aber immer noch ein Tiger. Jeder weiß, dass du ein Tiger bist, und du wirst niemanden davon überzeugen können, dass du jetzt eine Katze geworden bist. Und auch die anderen Tiger werden anfangen, dir aus dem Weg zu gehen.«
|122| »Aber warum sollten die Katzen sich vor dem Tiger fürchten, wenn er ganz zahm und lieb geworden ist?«
»Ich weiß es nicht. Sag du’s mir.«
»Es gibt keinen Grund. Wenn der Tiger nicht beißt, braucht man auch keine Angst vor ihm zu haben.«
Er grinst. »Und was lässt dich da so sicher sein, dass er nicht auf einmal wieder anfängt zu beißen?«
|123| WIE AUS DER ZEIT GEFALLEN
»Komm«, sagt er. Er steht auf und reicht mir die Hand. »Ich möchte dir das Haus zeigen.«
Wir verlassen das Zimmer, er schließt die Tür hinter sich und beginnt mit der Führung.
Wir laufen durch die prunkvollen Gänge und ich fühle mich auf einmal richtig klein und unbedeutend. Seltsam, in Viterbo gibt es unheimlich viele von solchen alten Häusern, aber niemals haben sie mir dieses Gefühl vermittelt. Liegt es vielleicht daran, dass ich mir hier wie ein Eindringling vorkomme, der durch die Hintertür in das Leben eines anderen Menschen getreten ist? Eines Menschen, der vielleicht in einem anderen Jahrhundert oder in einer anderen Welt gelebt hat …?
Die Einrichtung der Zimmer scheint aus uralten Zeiten zu stammen. Mir kommt es vor, als würde ich die Schritte von jemand anderem machen, als würde ich die Intimität der früheren Bewohner dieses Hauses stören, deren Türschwelle seit Jahren niemand mehr übertreten hat. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als Federico hier eingezogen ist.
Wenn ich ganz genau hingucke, kann ich vielleicht in einem der Spiegel den Saum eines Spitzenkleids aufblitzen sehen, der gerade hinter einer Ecke verschwindet.
|124| Dieser Gedanke jagt mir einen Schauer über den Rücken.
»Ist dir kalt?«, fragt Federico.
»Nein, dein Haus gibt mir so ein komisches Gefühl.«
»Schade.« Er wirft mir einen scheinheiligen Blick zu. »Ich dachte schon, das würde an mir liegen.«
Ich lache übertrieben laut, um von meinem rot angelaufenen Gesicht abzulenken.
»Komm, ich zeig dir das Schönste vom ganzen Haus.«
Wir gehen die breiten Steinstufen nach unten. Ein Stockwerk tiefer bleiben wir vor einer großen, mit Steinen eingefassten Tür stehen, die prächtiger als alle anderen ist.
Federico zieht einen großen Eisenschlüssel hervor. Er fuhrwerkt damit in dem schweren Schloss herum und öffnet.
»Man müsste hier mal gründlich abstauben, aber das haben wir bis jetzt noch nicht geschafft.«
Er streckt den Arm aus, so als wollte er mir, wie ein richtiger Museumsführer, etwas ganz Kostbares zeigen.
»Das ist mein absolutes Lieblingszimmer.«
Ich gehe hinein.
Und verliere definitiv den Kontakt zur Wirklichkeit. Dieses Zimmer scheint wie aus der Zeit gefallen zu sein.
Die spiegelglatten Marmorböden glänzen, in den Ecken stehen zwei ebenfalls marmorne Kamine, daneben gibt es einen abgenutzten Schreibtisch aus dunklem massiven Holz und mehrere Sessel, die mit schweren bestickten Stoffen bezogen sind. Die Wände werden von hohen, bis zur Decke reichenden Bücherregalen verdeckt. Und wo man nur hinsieht, gibt es Bücher, tonnenweise Bücher.
|125| Federico tritt zu einem der Regale und streift sachte und fast liebevoll über die Buchrücken.
»Hier gibt es alles Mögliche. Bei vielen Texten wusste ich gar nicht, dass sie überhaupt existieren. Ich habe auch jede Menge Bücher über diese Stadt gefunden.«
Er tritt an den ausladenden Schreibtisch.
»Ich komme gerne hierher, ich finde es so entspannend.«
Ich setze mich auf einen Sessel.
»Ich hab mir schon gedacht, dass du gerne liest.«
Das ist echt nicht zu übersehen: Ständig läuft er mit irgendeinem Buch in der Tasche herum.
»Es gefällt
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