Die Liebe ist ein Daemon
spazieren zu gehen. Was kann ich denn dafür, wenn ich rein zufällig sehe, was da abgeht?
Weil ich ja sowieso in diese Richtung muss, ziehe ich mir schnell die Kapuze über den Kopf und renne dem Auto hinterher, das dank dem Zustand unserer Straßen – ein Schlagloch hier, ein Schlagloch dort – noch nicht sehr weit gefahren ist.
Ich komme mir ein wenig doof vor bei dem Versuch, zu |163| Fuß ein Auto zu verfolgen, und wie ich jedes Mal, wenn es bremst, ganz schnell hinter eine Mauer oder einen Busch springe. Lorenzo hält kurz bei einer Kreuzung an, um andere Autos vorbeizulassen.
Ich verstecke mich hinter einem Müllcontainer und versuche, endlich einen besseren Blick auf den mysteriösen Beifahrer zu erhaschen.
Von den Haaren und den Klamotten her kann es nur ein Mädchen sein.
Ich sehe, wie sie lachen und sich lebhaft unterhalten.
In dem Moment streckt sie, wer auch immer sie sein mag, ihre schmale schlüpfrige Hand aus und streichelt ihm über die Wange.
Oh Mist, was soll das? Was ist denn das für eine?
Das Auto fährt wieder los und ich hechte hinterher. Es rollt rasch die nun leider schnurgerade und leere Straße entlang. Die Verfolgung gestaltet sich immer schwieriger.
Ich renne, so schnell ich kann, um das Auto nicht aus den Augen zu verlieren. Es biegt ab und endlich hält es an.
Jetzt habe ich sie eingeholt – und passe gut auf, nicht zu nahe zu kommen. Ich bin so außer Puste, ich glaube, ich kippe gleich um … Schnell biege ich um die Ecke und verstecke mich hinter einem großen Pflanzenkübel.
Vorsichtig schiele ich zum Auto. Es steht immer noch da. Was machen die da eigentlich so lange? Nach ein paar Minuten steigt Lorenzo aus, geht einmal um den Wagen rum, macht die Beifahrertür auf und hilft ihr beim Aussteigen.
|164| Sie steht im vollen Licht der Sonne. Ich kann sie so klar und deutlich sehen, dass ich jeden Zweifel ausschließen kann. Leider. Sie lacht und über mich fällt die schwärzeste Nacht.
Ich stehe wie vom Donner gerührt da, es zieht mir fast die Beine weg und ich spüre nichts mehr.
|165| ICH MAG DICH
Dann erkenne ich auch das Haus mit dem großen Tor wieder. Hinter der hohen Mauer kann ich einen winzigen Teil des Gartens erspähen, in dem wir früher zusammen gespielt haben, während unsere Mütter beim Kaffeeklatsch saßen.
In dem Garten hatte sie mir als »süße« Sechsjährige meinen geliebten Teddy geklaut und den halben Tag lang als Geisel festgehalten.
Lavinia.
Aber was macht Lorenzo, dieser Vollidiot, da eigentlich? Als ob das nicht schon genug wäre, als ob ich nicht schon richtig sauer, verwirrt und angewidert wäre, hält er ihr jetzt auch noch zur Verabschiedung die Wange hin. Und natürlich nutzt Miss Supersympathisch das schamlos aus, um ihm nicht etwa ein unschuldiges Küsschen auf die Backe zu geben, sondern ihm mitten auf den Mund zu schmatzen.
Okay, ich gehe jetzt zu ihnen. Ich ziehe diese Hexe an den Haaren die Straße runter und mach sie richtig fertig. Was erlaubt die sich eigentlich?
Ich kann meinen Plan leider nicht mehr in die Tat umsetzen, denn sie ist bereits im Haus verschwunden.
Lorenzo steigt wieder in den Wagen und wendet.
|166| Ich warte hinter der Ecke auf ihn.
Kurz bevor er an mir vorbeifährt, springe ich auf die Straße und pflanze mich mit einem bedrohlichen Gesichtsausdruck vor ihm auf. Er bremst scharf und glotzt mich ungläubig an. Selbst wenn ich in diesem Moment vom Himmel gefallen wäre, hätte er nicht erstaunter aussehen können.
»Ciao Lorenzo, was für ein Zufall! Nimmst du mich ein Stückchen mit?«
Ich steige ins Auto und schlage laut die Tür zu.
Jetzt ist er geliefert. Wenn da irgendwas gelaufen ist, dann werde ich ihn lynchen, das schwöre ich.
Ich werde ihn mit dem Kopf nach unten an meiner Zimmerdecke aufhängen und ihn als meinen persönlichen Boxsack benutzen.
Es interessiert mich nicht die Bohne, ob ich mich in seine Angelegenheiten mische oder seine Privatsphäre verletze. Zwischen uns hat es so etwas wie eine Privatsphäre sowieso noch nie gegeben.
Lorenzo legt nervös den Gang ein.
Ich gucke ihn an. Ich sehe in diese Augen, die normalerweise genauso strahlen wie der Sommerhimmel. Die sonst so stechend blau sind, wie es nur der Himmel an einem Augusttag sein kann, wenn man mit dem Motorrad in einem halsbrecherischen Tempo die glühenden leeren Straßen entlangrast.
Aber jetzt sind sie wie ausgelöscht. Sie sind bis zum Rand mit einer leeren Traurigkeit gefüllt. Sie sind wie tiefe Brunnen,
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