Die Liebe ist ein Daemon
Nase.
»Alles klar?«, murmelt er, aber ich starre weiter auf den weißen Atem, der aus seinem Mund steigt.
Er lacht. Ich mag es, wenn er lacht. Mir gefiel es schon, als ich ihn das erste Mal lächeln gesehen habe, vor Monaten in seinem Garten.
»Schau mal, hättest du auf mich gewartet, wärst du nicht gestolpert«, fügt er feixend hinzu.
»Sehr witzig«, antworte ich und verziehe meinen Mund zu einem schiefen Lächeln.
»Ich glaub, ich bin jetzt schon so was wie dein Schutzengel geworden …«, sagt er und grinst mich an.
|201| MEINE ALLERGRÖSSTE ANGST
Wir bleiben vor einer breiten Felsöffnung stehen. Dahinter kann man einige in den Fels gehauene Stufen erkennen, die sich in der Dunkelheit verlieren. Das ganze Grab hat die Form eines nach einer Seite hin offenen Vierecks und sieht aus wie ein riesiges griechisches Π.
»Okay, also da drinnen gibt es mehrere Räume«, sage ich. Ich kann mich noch gut an die Zeichnung erinnern, auf der alle Grabkammern der Ausgrabungsstätte abgebildet waren.
Aber Federico antwortet nicht. Komisch, vorher war er doch auch nicht auf den Mund gefallen. Aber was soll’s.
Ich ziehe meine Taschenlampe aus dem Rucksack und schalte sie an.
»Gehen wir?«, frage ich. Federico nickt, bewegt sich aber nicht vom Fleck.
Also gehe ich alleine los.
Ich wundere mich über meine Entschlossenheit, denn eigentlich habe ich kein sonderlich sicheres Gefühl bei der Sache. Nicht dass mir enge geschlossene Räume Angst machen würden, es liegt an Federico, dessen Gegenwart mich ganz nervös macht. Heute mehr als jemals zuvor. In meinem Innern spielt sich ein heftiger Kampf ab. Eine Stimme beschwört |202| mich, meinem Herz zu folgen und runter in dieses Grab zu steigen, während eine andere mir etwas zuraunt, was ich nicht ganz verstehen kann.
Ich trete auf die erste Stufe.
Ich merke, dass Federico nicht mehr hinter mir ist, und drehe mich um.
»Federico?«
Er steht immer noch oben.
Mit leeren glasigen Augen starrt er auf den Eingang, sein Blick wirkt verstört, fast ängstlich. Schon wieder spüre ich diese Furcht, diese unbestimmte Angst, die wie ein von ihm projizierter Schatten auf mich fällt.
»He, Federico!«
Er scheint vollkommen abwesend zu sein.
»Ja? Entschuldige, aber müssen wir da unbedingt durch? Gibt es keinen anderen Zugang?«, fragt er mich und starrt weiter auf die Felsöffnung.
Ich verschränke verwundert und ein wenig amüsiert die Arme vor der Brust. Er kommt mir vor wie ein Kind, das Angst hat, unter’s Bett zu gucken.
»Na klar, wie blöd von mir, jetzt habe ich doch glatt den Hintereingang vergessen. Ich meine den mit dem Vordach und dem roten Teppich!«
Er lächelt gequält.
»Warum fragst du?«
»Ach, einfach so.« Er drängt sich schnell an mir vorbei und steigt, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter. Ich folge ihm ein wenig verwirrt.
|203| Am Ende der Stufen liegt ein unterirdischer Gang. Gebückt betreten wir den ersten Raum, der im Halbdunkel liegt.
Die Decke ist sehr niedrig und die Wände sind in der Dunkelheit kaum noch zu erkennen.
»Also, hier gibt es nicht gerade viel zu sehen«, sage ich und leuchte mit der Lampe vor mir her.
Ich folge dem Lichtstrahl. Federico macht seine Taschenlampe ebenfalls an und trottet mir schweigend hinterher.
»Die interessanten Sachen, die Inschriften, die Sarkophage und das, was von den Wandmalereien noch zu sehen ist, sind weiter hinten.«
»Ich weiß«, antwortet er ernst.
Wir sind in der zweiten Grabkammer angekommen. Sie ist größer als die erste und die Decke ist viel höher. Das Tageslicht ist zu einem winzigen hellen Punkt auf dem staubigen Boden zusammengeschrumpft.
Ich gehe durch den Raum. Er macht einen leichten Knick, wird noch höher, und wir können endlich wieder aufrechtstehend weitergehen. Abgesehen von dem Schein unserer Taschenlampen gibt es jetzt überhaupt kein Licht mehr.
»Okay, wir sind fast da. Wir könnten bis nach hinten durchgehen und dann umkehren«, schlage ich vor.
»Wie du willst … ich folge dir einfach.«
Seine Stimme klingt sehr leise.
»Ist alles klar bei dir?«, frage ich, denn langsam glaube ich, dass tatsächlich irgendwas nicht mit ihm stimmt.
»Ja, wieso?«
|204| »Ach, nur so.«
Ich gehe voran und wir erreichen das Ende des Grabes.
Wir haben den Ausgang und damit das Tageslicht ziemlich weit hinter uns gelassen.
Es ist sehr kalt hier und auch sehr dunkel. Ich ziehe mir die Kapuze über den Kopf und verstelle den Regler an meiner
Weitere Kostenlose Bücher