Die Liebe ist ein Daemon
mal, dich zu entspannen«, sage ich. Ich merke, wie ich langsam hysterisch werde. Trotzdem gelingt es mir, ruhig und sanft zu sprechen, obwohl meine Worte mich selbst nicht überzeugen.
Ich knie mich vor ihn hin und schaue ihm direkt ins Gesicht.
Ganz sanft streiche ich mit den Fingerspitzen über seine Haare. Sein Hals ist immer noch angespannt, aber nicht mehr so seltsam verkrampft.
»Es wird alles gut«, flüstere ich, lege meine Hände an seinen Hals und versuche, ihn zu beruhigen.
Ich spüre seine pulsierenden Venen, in denen das Blut wie verrückt pocht und sich bis in seinen Kopf hämmert.
»Es gibt ganz viel Luft hier, jede Menge frische Luft, merkst du das?«
Er sieht mich mit glasigen Augen an.
»Schau mal, ich kann wunderbar atmen, komm schon, mach es mir nach …«
|227| Ich atme tief ein und aus.
»Merkst du es? Man kann hier wirklich gut atmen.«
Mit derselben Ruhe und Energie wie zuvor mache ich wieder einige tiefe Atemzüge.
»Na los, Federico, probier es mal, mach es so wie ich.«
Einatmen, ausatmen. In den kurzen Augenblicken, in denen das Zittern seines Körpers ein wenig nachlässt, macht er es mir ganz langsam nach.
»Gut, genau so, und weiter … ein und wieder aus … Okay, sehr gut …«
Ein, aus.
»Hast du gesehen, wie viel Luft es hier gibt? Weiter so, das machst du super.«
Er atmet tief ein und aus und versucht, seinen Atem wieder unter Kontrolle zu bekommen. Die Adern am Hals pulsieren immer noch so kräftig, als wäre er ganz schnell gerannt und dann schlagartig stehen geblieben. Seine Schläfen scheinen fast zu explodieren.
»Gut so, sehr gut, atme weiter, das machst du echt super«, versichere ich ihm und führe langsam meine Hände zu seiner Stirn und an seine Schläfen.
»Hör nicht auf damit, hörst du?«
Er gehorcht und atmet weiter ein und wieder aus und wieder ein und wieder aus.
Ich spüre seine tränennassen Augen voller Dankbarkeit auf mir ruhen.
»Das sollte dich jetzt ein wenig beruhigen«, murmele ich.
Ich mache diese Atemübungen sonst immer mit Ginevra, |228| wenn sie vor einer mündlichen Prüfung total ausflippt. Was ziemlich oft passiert. Vielleicht ist das nur Hokuspokus, aber bei ihr hat das bis jetzt immer wunderbar geklappt.
Ich drücke mit den Fingerkuppen auf seine hämmernden Schläfen. Langsam und vorsichtig fange ich an, sie zu massieren und ziehe dabei mit den Fingern kleine Kreise.
»Immer weiteratmen, ja?«
Ich massiere leicht und zart weiter und hoffe, dass er damit ein wenig runterkommt.
Ich mache noch ein paar Minuten weiter. Sein Atem, der langsam seinen Rhythmus wiederfindet, begleitet mich dabei.
Am Ende hört das Zittern auf und Federico atmet wieder normal.
Die Schläfen pochen nicht mehr und der Hals hat sich entspannt. Die Wangen haben wieder ihre alte Farbe zurückbekommen. Er hat sich beruhigt, aber er ist noch total erschöpft.
Ich nehme meine Hände von seinen Schläfen.
»Alles klar?«
Er nickt, schluchzt ein letztes Mal und fährt sich mit dem Ärmel übers Gesicht, um ein paar Tränenspuren fortzuwischen.
Er ist noch ziemlich fertig, aber es geht ihm langsam besser.
Manchmal lassen sich die Probleme ganz einfach lösen. Manchmal finden wir die Lösung dort, wo wir sie nie vermutet hätten. Ich kann den Stein nicht alleine wegrücken und Federico kann mir auch nicht helfen. Doch zumindest habe ich jetzt keine Angst mehr.
|229| NULL ZENTIMETER
Ein paar Minuten lang schweigen wir. Jeder horcht auf seine eigenen Gefühle, die schwanken, die sich verändern und an einen Punkt gelangen, der noch vor ein paar Minuten nicht erreichbar schien. Federico atmet tief ein, man sieht, dass es ihm noch nicht besonders gut geht, aber er scheint seine Angst jetzt im Griff zu haben.
Es ist schon komisch: Wir sind erst seit ein paar Stunden hier unten und trotzdem habe ich das Gefühl, als ob ein ganzes Jahrhundert vergangen wäre.
»Hast du keine Angst mehr?«, fragt er mich mit sanfter, fast brüchiger Stimme.
»Nein. Jetzt nicht mehr.« Das stimmt. Im Moment macht er mir keine Angst. Ich weiß nicht, ob dieses Gefühl irgendwann wieder bei mir aufkommen wird, aber jetzt sind wir uns ganz nah und das ist gut so.
Es folgt ein langes Schweigen.
»Und du, fürchtest du dich noch vor mir?«, frage ich zurück.
»Nein, schon seit der Party nicht mehr.«
Ich balle meine Hände zu Fäusten, bis sich die Fingernägel ins Fleisch bohren. Dann öffne ich sie wieder.
|230| »Auch bei mir gab es an diesem Abend
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