Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert
eindrucksvollen Versuchs feststellen konnte.
In seinem Experiment ging der Forscher ähnlich vor wie Gottmans Team: Zunächst bat er frisch verheiratete Paare, sich eine Viertelstunde lang vor laufender Kamera in die Haare zu kriegen.
Dann aber ging er noch einen Schritt weiter. Unmittelbar nach dem Streit zeigte er den Partnern getrennt voneinander das Duell. Dabei hielt das Band alle 20 Sekunden automatisch an, und die Probanden sollten auf Papier notieren, was sie in dieser Etappe des Streits genau gedacht und gefühlt hatten.
Als der Psychologe sich anschließend die Berichte der Ehepartner ansah, bot sich ihm nicht gerade ein aufbauendes Bild. Manche der Kommentare lasen sich wie Dokumente des Hasses. Die frisch Vermählten sahen den eigenen Lebensgefährten nicht selten als Feind, der unablässig die Fakten verzerrt, sich in Ausreden verzettelt und ständig die Schuld von sich zu weisen versucht. Und in den wenigen Ausnahmen, in denen die Ehepartner doch zu zaghaften Ansätzen neigten, die Perspektive des anderen einzunehmen, ließen sich auch diese Reaktionen meist kaum als ernsthafte Versuche von Einfühlungsvermögen deuten. Die typischen Kommentare lauteten eher folgendermaßen:
»Hier geht’s richtig los... Was sie sagt, ergibt keinen Sinn, und das mach ich ihr deutlich.«
»Jetzt weiß sie nicht mehr weiter und versucht, mir die Schuld in die Schuhe zu schieben.«
»Sie achtet gar nicht auf das, was ich wirklich gesagt habe.«
»Sie lügt.«
»Er glaubt, dass er Recht hat und ich Unrecht.«
»Er will das Thema wechseln, weil er weiß, dass ich Recht habe.«
»Er weiß, dass das eine Lüge ist.«
»Ich finde, er fabriziert nur eine Menge Ausreden.« [246]
Und doch, bei alledem zeigte sich auch Positives. Die Ehepartner neigten im Großen und Ganzen zwar dazu, den Gesprächsverlauf gnadenlos zu ihren eigenen Gunsten auszulegen – Männer demonstrierten auf diesem Gebiet übrigens noch eine weitaus größere Begabung als Frauen. Das heißt, destruktiv war im Zweifelsfall immer die Partnerin, während die konstruktiven Beiträge ausschließlich von einem selbst kamen.
Aber dazwischen gab es die eine oder andere Ausnahme. Manchen Paaren gelang es, trotz aller Uneinigkeiten, sogar in der Streitsituation noch einander zuzuhören, voneinander zu lernen.
Bei einem Ehepaar zum Beispiel ging der Mann zur Arbeit, während sich die Frau um Küche und Kinder kümmerte. Der Gatte dachte, sein Job sei schwieriger, als »zu Hause herumzusitzen«. Die Frau meinte, ihm sei ja gar nicht klar, wie viel Arbeit sie in den Haushalt und die Versorgung der Kinder stecke. So entfachte sich zunächst ein heftiger Ehestreit.
Schließlich jedoch gab der Mann nach. Diese Wendung kommentierte er im Nachhinein so: »Da hat sie einen guten Punkt.« Er könne nun besser verstehen, was seine Frau meint. Die Frau bewertete die Diskussion an dieser Stelle ihrerseits mit den Worten: »Wir versuchen, einander zu verstehen«, und überhaupt blieben sie ja »nie lange wütend«. [247]
Fasziniert von diesen Ausnahmen, sah sich der Psychologe Sillars die Paare etwas genauer an. Dabei entdeckte er, dass es manchen Partnern viel besser als anderen gelang, sich auf das Thema der Auseinandersetzung zu konzentrieren, auf die Sache. Sie fixierten sich nicht so sehr auf den Streit selbst, sondern versuchten wirklich ein Problem zu lösen. Neue Informationen ihres Lebensgefährten nahmen sie zur Kenntnis. Damit waren sie in der Lage,
dem Streit an irgendeinem Punkt einen Richtungswechsel zu geben. Wie der Psychologe feststellte, waren diese Paare eindeutig zufriedener mit ihrer Ehe.
Andere Paare hatten von Anfang an folgende Haltung eingenommen: »Es ist zwecklos, die Sache noch einmal durchzusprechen, ich habe es ja schon hundertmal versucht, es ändert nichts.« Davon überzeugt, dass das Gespräch ohnehin zum Scheitern verurteilt sei, beachteten sie das, was der Partner vorbrachte, gar nicht mehr. Entsprechend unzufrieden waren diese Paare mit ihrer Ehe. [248]
Die Paare in Sillars Studie waren erst seit kurzem verheiratet, nicht länger als drei Jahre. Nun könnte man meinen, Einfühlungsvermögen, das ist eine komplizierte Sache, das dauert. Es ist schließlich alles andere als leicht, einen anderen Menschen wirklich zu verstehen, zu lernen, die Dinge aus seiner Sicht zu sehen. Je länger man zusammen ist, je mehr Zeit man zusammen verbringt, umso besser gelingt einem das auch.
Um herauszufinden, ob das
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