Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert
Ehe noch respekt- und liebevoll miteinander um. Diese Menschen »lassen einen Ehestreit wie einen Scherz aussehen«, schwärmt Gottman und bezeichnet sie bewundernd als »marital masters«, als Meister der Ehe. [237] Wie diese Paare das schaffen, worin ihr Geheimnis liegt, werden wir noch sehen.
Vernachlässigte Zärtlichkeit
Ähnlich verhält es sich mit dem Sex. Während der ersten Wochen, im Rausch der Verliebtheit, können wir kaum die Finger voneinander lassen, doch schon bald erfährt die Lust einen Dämpfer. Die Aufregung legt sich. Die Verliebtheit verfliegt, der Alltag kehrt ein.
Die Gewohnheit ist aber nur einer von vielen Faktoren, die sich auf unsere Wollust auswirken. Auch das Alter spielt eine Rolle. Die stürmischen Zeiten der Jugend beruhigen sich. Zum Teil könnte das an dem Testosteronspiegel liegen, denn auch die Konzentration des Libidohormons fällt mit den Jahren. [242]
Eine Untersuchung hat ermittelt, dass junge Ehepaare zwischen 19 und 24 im Schnitt 11 , 7 -mal monatlich miteinander schlafen. Bei Eheleuten zwischen 30 und 34 beträgt die Sexfrequenz durchschnittlich 8 , 5 -mal, während sie bei den 50 - bis 54 -Jährigen auf 5 , 5 - und in der Altersgruppe zwischen 65 bis 69 auf 2 , 4 -mal im Monat sinkt. Dabei war der Unterschied zwischen den Gruppen, wie die Forscher ermittelt haben, vor allem auf das Alter und weniger auf die Gewöhnung zurückzuführen. [243] Andere Studien kommen auf ähnliche Zahlen. [244] Im Schnitt also ebbt die Sexfrequenz mit den Jahren ab.
Die entscheidende Frage aber lautet: Sagen uns diese Zahlen irgendetwas über das Beziehungsglück? Nein. Weniger Sex heißt nicht automatisch, dass auch die Liebe nachlässt.
Auch glückliche Paare gewöhnen sich aneinander. Auch sie verbringen bekanntlich nicht den ganzen Tag im Bett. Trotzdem tut das ihrem gemeinsamen Glück nicht den geringsten Abbruch.
Wie wir gesehen haben, lässt bei manchen Partnern das gemeinsame Glück mit den Jahren des Zusammenseins nicht nach, sondern umgekehrt, es wächst. Das Vertrauen zwischen ihnen wächst. Ist man sich gegenseitig vertraut, mag zwar der Nervenkitzel im Bett etwas kleiner ausfallen. Dennoch genießen viele Paare nicht nur ihre Beziehung als solche, sondern auch ihren Sex jetzt mehr denn je zuvor, gerade auf Grund der gewachsenen Intimität.
Bei anderen Paaren sieht es weniger rosig aus. Manche von ihnen
schlafen zwar noch miteinander, trotzdem haben sie das Gefühl, es sei etwas verloren gegangen. So ergab eine Befragung an 1550 Vermählten, dass sie ihr Sexleben im Laufe der Zeit als immer weniger zufrieden stellend empfanden. [245]
Woran liegt es, wenn der Sex nach Jahren nicht mehr so viel Spaß macht wie früher? Obwohl das viele Ursachen haben kann, ist oft tatsächlich etwas verloren gegangen. Es ist etwas, das wichtiger als jede Statistik und jeder Mittelwert ist: Zärtlichkeit im Alltag. Man hat nur noch wenig Zeit füreinander, es gibt Kinder, dazu eine Karriere, und ab und zu trifft man sich im Bett, um die Sexquote aufrechtzuerhalten.
Erotik aber fängt mit Zärtlichkeit im Alltag an. Wenn ein Mann seiner Frau morgens den Kaffee bringt und ihr übers Haar streicht. Wenn sie ihm abends den Rücken krault und seine Schultern massiert. Erotik und Aufmerksamkeit verlangen Zeit. Zeit, die wir uns später in einer Beziehung oft nicht mehr nehmen. All das, was wir als Verliebte nicht lassen können, kommt uns später in der Beziehung nicht selten überflüssig oder mühsam vor.
Vieles spricht dafür, dass es sich lohnt, sich diese Zeit zu nehmen, immer wieder. Erstens, weil es einfach schön ist. Zweitens festigt jeder angenehme Körperkontakt die Bindung. Wie wir gesehen haben, wird nicht nur beim Sex und beim Orgasmus das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet, sondern auch dann, wenn man sich einfach nur zärtlich berührt. Umgekehrt heißt das: Je mehr wir unsere Zärtlichkeit vernachlässigen, desto tiefer sinkt der Spiegel des Substrats, das uns biochemisch zusammenhält.
Das muss aber nicht passieren. Schließlich können wir uns um Körperkontakt und Zärtlichkeit kümmern, jeden Tag aufs Neue.
Das Einfühlungsvermögen schwindet
Nicht nur auf körperlicher, auch auf psychologischer Ebene tritt das Gesetz der Gewöhnung in Kraft. Beispielsweise schwindet unser Einfühlungsvermögen.
Bereits bei vielen Neuverheirateten hält sich das Bemühen, sich in den Partner hineinzuversetzen, in engen Grenzen, wie der US -Psychologe Alan Sillars mit Hilfe eines
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