Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert
diskutieren, und zwar vor laufender Kamera.
Man könnte meinen, dass wir vor einer Kamera im Labor anders diskutieren als in der Küche daheim. Und die meisten Menschen sind unter Beobachtung in der Tat etwas höflicher als sonst. Sie scheinen die Kameras aber verblüffend schnell zu vergessen. Das liegt nicht nur daran, dass es sich für die Paare um ein sehr ernstes Problem handelt, das sie dort diskutieren. Zwei Menschen sind im Laufe einer Partnerschaft irgendwann dermaßen stark aufeinander eingespielt, dass sie nicht plötzlich auf ein ganz anderes Verhaltensmuster zurückgreifen können, wenn sie beobachtet werden. Und so artet die Auseinandersetzung schon bald in ein lebhaftes Streitgespräch aus. Währenddessen wächst in den Köpfen von Gottman & Co die Gewissheit, ob diese Beziehung halten oder ob sie in die Brüche gehen wird. [223]
In einem seiner spektakulärsten Versuche hat Gottman 130 Ehepaare, deren Hochzeit weniger als ein halbes Jahr zurücklag, bei einem Streit beobachtet. Sechs Jahre später kontaktierte er die Paare wieder. 17 von ihnen hatten sich scheiden lassen.
Dabei offenbarte sich: Ob zwei Menschen am Ende noch zusammen oder gescheitert waren, hatte sich mit 83 -prozentiger Genauigkeit vorhersagen lassen, und zwar lediglich anhand des Verhaltens, das sie während des 15 -minütigen Wortgefechts an den Tag gelegt hatten. [224]
Worin besteht dieses Verhalten? Was für ein Streitmuster ist so destruktiv, dass sich an ihm das Scheitern einer Beziehung bereits Jahre im Voraus ablesen lässt? Und wie streiten sich Ehepartner, die zusammenbleiben?
Im »Liebeslabor«: Während sich das Ehepaar in die Haare kriegt, registrieren Forscher jede ihrer Regungen. Schon wenige Minuten werfen so eine enorme Datenmenge ab. Aus dieser lässt sich das Schicksal der Ehe bis zu einem gewissen Grad vorhersagen.
Eine Analyse des Videomaterials ergab: Glückliche Paare ärgern sich während eines Streits durchaus auch übereinander. Es ist also nicht der Ärger oder das Fehlen davon, was sie von den Unglückspaaren unterscheidet. Dennoch verhalten sie sich deutlich anders als die Paare, die es nicht miteinander aushalten.
Ein entscheidendes Merkmal ist: Die unzertrennlichen Paare schaffen es, während eines Streits die Zahl der negativen Verhaltensweisen im Zaum zu halten. Vor allem zeigen sie sogar in einer Konfliktsituation noch relativ viele positive Verhaltensweisen. [225]
Wie Gottman festgestellt hat, hängt das Gelingen oder Scheitern
einer Partnerschaft nicht von der absoluten Zahl der negativen und positiven Verhaltensweisen ab. Vielmehr ist das Verhältnis entscheidend.
So manches leidenschaftliche Paar lässt öfter mal die Fetzen fliegen, tauscht jedoch zugleich viele liebevolle Botschaften aus. Andere Partner sind weniger stürmisch, sie sammeln kaum Negativpunkte, dafür aber auch wenige Pluspunkte. Beide Umgangsformen können mit einer liebevollen Partnerschaft einhergehen, solange die Partner auf ein Plus-Minus-Verhältnis von fünf zu eins kommen – es ist die » 5 : 1 -Formel«. Das heißt: Sie müssen Ihren Ärger nicht unter den Teppich kehren. Sie dürfen ihn äußern, wenn Sie das zugleich mit vielen Nettigkeiten wieder ausgleichen. [226]
Bei Paaren, die auf einen Schiffbruch zusteuern, liegt das Plus-Minus-Verhältnis bei 1 : 1 oder noch schlechter. [227] Es gelingt ihnen nicht, ihre Sticheleien zu kontrollieren. Sie sammeln Minuspunkte wie die Weltmeister, ohne das mit Pluspunkten wettzumachen. Sie geben ihrem Konflikt ständig neue Nahrung, indem sie Negatives konsequent mit Negativem vergelten. Statt sich mit Hilfe eines Lächelns, einer freundlichen Bemerkung oder einem Scherz von dem drohenden Abwärtssog zu befreien, ziehen sie sich tiefer und tiefer nach unten. Um eine Vorstellung eines solchen Streitmusters zu bekommen, hier ein Beispiel:
LUKAS (GENERVTES GESICHT):
Lisa, was ist los?
LISA (SAUER):
Na, was wohl! Es ist doch immer das Gleiche! Warum hörst du mir eigentlich nie zu? Hatten wir nicht gesagt, dass wir sparen wollen? Aber das scheint dich ja überhaupt nicht zu interessieren. Du hörst mir ja sowieso nie zu ...
LUKAS (VERÄRGERT):
Vielleicht würde ich dir besser zuhören, wenn du das Geld nicht zum Fenster rausschmeißen würdest. Wenn du etwas vorsichtiger...
LISA (AUFGEREGT):
... Was soll denn das jetzt? Ich gehe vorsichtig mit unserem Geld um! Wenn du dagegen etwas mehr beisteuern
würdest, dann könnten wir uns mal wieder einen Urlaub leisten. Aber
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