Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert
es mir heute ergangen ist. Das ärgert mich. Es verletzt mich.«
Kritik: »Jetzt hast du die ganze Zeit nur über dich geredet und mich nichts gefragt. Das Problem mit dir ist, dass du dich immer nur für dich und nie für andere interessierst.« [253]
Kritik ist schädlich, weil sie nicht nur das Hier und Jetzt beklagt oder angreift, was sinnvoll wäre, sondern darüber hinaus
das Gestern, die Zukunft und, weil man schon so gut in Fahrt ist, auch noch den – natürlich schlechten – Charakter des Partners.
Kritik ist aber noch aus einem anderen Grund schädlich. Man muss nämlich schon ein sehr gelassener Mensch sein, um auf eine persönliche Kritik noch freundlich zu reagieren. Das heißt: Mit einer Kritik ist der Streit vorprogrammiert.
Der zweite Reiter: Verteidigung
Kritik provoziert ein typisches Verhalten: die Verteidigung. So gut wie jeder, der sich angegriffen fühlt, reagiert instinktiv mit Abwehr. Lukas kontert also: »Ja, aber ich arbeite den ganzen Tag und hab wirklich nicht die Zeit, um andauernd die Wohnung aufzuräumen!«
Auch diese Reaktion ist verständlich. Gerade weil die Verteidigung so ein natürlicher Reflex auf einen Angriff ist, ist die Gefahr groß, dass sich bald auch der zweite Untergangsreiter in die Beziehung nistet.
Viele Menschen wollen nicht einsehen, dass die Verteidigung ein Beziehungsgift ist. Sie sagen: Ich hab ja schließlich ein Recht darauf, mich zu wehren! Außerdem kann ich meinem Partner auf diese Weise deutlich machen, weshalb ich mich so und nicht anders verhalten habe.
Beides ist logisch richtig und dennoch falsch. Wenn ein Partner seinen Ärger äußert, geht es nicht darum, ihm sofort klar zu machen, warum wir uns so oder so verhalten haben, und wie korrekt das alles war. Es geht erstmal darum zu zeigen, dass man den Ärger des Partners verstehen möchte. Ja, es ist verständlich, sich wehren zu wollen oder sofort nach einem entschuldigenden Grund für sein Verhalten zu fahnden. Damit aber überspringt man eine entscheidende Sache: Man macht sich nicht die Mühe, dahinter zu kommen, was es genau ist, das den anderen so stört.
In gewissem Sinne hat ein verletzter Partner immer Recht, insofern nämlich, als seine Verletzung nun einmal da ist und Sie ihm diese Verletzung zugefügt haben. Ob Ihr Partner dabei Ihrer Meinung
nach überreagiert, ob sich das ändern lässt oder ob Sie damit leben können, darüber können Sie später immer noch diskutieren. Es nützt nichts, im Moment des Ärgers den Ärger Ihres Partners einfach beiseite zu wischen, indem Sie sofort auf Verteidigungsmodus schalten.
Auch wenn Sie es vielleicht gar nicht so meinen: Der andere hat, wenn Sie sich rechtfertigen, schnell das Gefühl, dass es Ihnen in erster Linie um Ihre Rechtfertigung, sprich: um Sie geht. Er fühlt sich nicht ernst genommen. Die Folge ist: Er setzt noch eins drauf, in der Hoffnung, endlich ernst genommen zu werden, so facht sich der Streit weiter an. Die Verteidigung ist eines der zuverlässigsten Mittel, den Gegenschlag des Partners hervorzulocken, und deshalb ist sie so gefährlich. Bestimmt wird sich Lisa mit der Antwort von Lukas nicht zufrieden geben. Viel wahrscheinlicher ist, dass sie mit den Worten kontert: »Ja, aber ich hab dafür Zeit, was?« – und damit den Konflikt heraufbeschwört.
In der Hitze des Gefechts sollten Sie es lassen, sich zu rechtfertigen. Es ist viel wirksamer, wenn Sie später, sobald sich die Wogen des Wortgefechts geglättet haben, darauf zurückkommen. Sie können dann immer noch sagen: »Übrigens, es verletzt mich, wenn du mich als Dreckhammel bezeichnest.« Sich im Streit zurückhalten heißt also nicht, seinen Ärger tagelang in sich hineinzufressen, um dem anderen dann irgendwann in einem Wutanfall eine Kollektion von Klagen an den Kopf zu werfen. Es heißt vielmehr, eine Eskalation zu vermeiden, um später das Thema in Ruhe anzusprechen. [254]
Wie also hätte Lukas reagieren können? Er hätte Lisa sofort den Wind aus den Segeln nehmen können, indem er seine Verantwortung nicht von sich gewiesen, sondern gesagt hätte: »Ja, du hast Recht. Ich will versuchen, etwas mehr drauf zu achten. Warum stört dich das eigentlich so?« Er hätte den Ärger seiner Frau ernst genommen, sie hätte das gespürt, und beide hätten den Sog nach unten abwenden können.
Nun wäre ein Gespräch möglich, in dem beide nach einer Lösung für das Problem suchen. Mit seiner Rechtfertigung aber hat Lukas gar nichts gelöst.
Eine Verteidigung
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