Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert
lässt sich oft an der Satzkonstruktion »ja, aber« erkennen. Die schlichteste Form der Abwehr jedoch, die jeden Partner garantiert auf die Palme bringt, lautet: »Stimmt gar nicht.«
Meist geht die Verteidigung fließend in den Gegenangriff über. Das wäre der Fall, wenn Lukas seiner Rechtfertigung noch einen Satz hinzufügen würde, wie: »Weißt du, du gehst mir wirklich auf die Nerven mit deinem Ordnungswahn!« Spätestens an diesem Punkt hat die Negativspirale ihren Lauf genommen.
Der dritte Reiter: Verachtung
Ein besonders wirksames Beziehungsgift ist die Verachtung. Für Gottman ist sie der gefährlichste Untergangsbote. [255] Er bezeichnet sie als die »Schwefelsäure der Liebe«. [256] Warum?
Verachtung zielt nicht einfach nur darauf ab, das Verhalten des Partners zu kritisieren oder sich selbst gegenüber Kritik zu verteidigen. Jetzt geht es darum, den anderen zu verletzen, und zwar bewusst.
Verachtung hat viele Gesichter. Oft tritt sie in Form von Sarkasmus und Zynismus oder respektlosem Spott in Erscheinung. Doch jeder weiß, dass schon ein Blick oder ein Augenrollen reichen kann, um einem Menschen seine tiefe Abneigung spüren zu lassen.
Verachtung taucht nicht plötzlich auf. »Verachtung wird von lange schwelenden negativen Gedanken über den Partner genährt«, stellt Gottman fest. »Solche Gedanken können entstehen, wenn Schwierigkeiten nicht gelöst sind.« [257]
Verachtung ist schädlich, weil sie keine Probleme lösen will, sondern im Gegenteil: Wunden aufreißt. Sie unterscheidet sich insofern von den anderen apokalyptischen Reitern, als bei ihr der zerstörerische Charakter ganz offensichtlich ist:
LISA (STÖHNT):
Mann! Kannst du nicht einmal den Fernseher ausschalten und etwas Vernünftiges machen?
LUKAS (SEUFZT):
Was denn? Soll ich etwa den ganzen Tag dumm vor mich hinputzen wie du?
LISA (ROLLT DIE AUGEN):
Ach, mach doch, was du willst. Es wundert mich nicht, dass deine Kollegen nicht mit dir auskommen. Du bist so ein fauler Sack!
LUKAS (SAUER):
Halt den Mund und lass mich in Ruhe mit deinem Scheiß!
Es gibt noch eine besondere Form der Verachtung. Intimität entsteht auch in dem Maße, in dem sich zwei Menschen einander öffnen. Es ist angenehm, wenn wir einem anderen Menschen unsere Schwächen erzählen können – und er uns trotzdem akzeptiert. »Geliebt wirst du einzig, wo du schwach dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren«, schrieb der Philosoph Theodor W. Adorno ( 1903 – 1969 ). [258]
Umso verletzender ist es, wenn ein Partner gegen diese Maxime verstößt und intimes Wissen gegen uns verwendet. Nehmen wir an, Lisa und Lukas sind seit einigen Jahren verheiratet und haben ein Kind bekommen. Lisa fühlt sich seither überfordert, nicht zuletzt weil Lukas sich nicht um das Kind kümmert und Lisa sich nun mit zwei Aufgaben konfrontiert sieht: Kind und Karriere. In einem Versuch, ihrem Mann das Problem nahe zu bringen, beichtet sie ihm, dass sie manchmal zweifelt, ob sie überhaupt eine gute Mutter sei.
Ein paar Tage später kommt es mitten in der Nacht zum Eklat: Lisa und Lukas streiten darüber, wer diesmal aufstehen soll, um nach dem schreienden Baby im Nebenzimmer zu sehen. Als Lisa sich weigert, schnauzt Lukas seine Frau an: »Herrgott, ich muss morgen früh zur Arbeit, und da kannst du noch nicht einmal das machen! Aber du gibst ja schon selbst zu, dass du keine gute Mutter bist. Und weißt du was? Da hast du völlig Recht!«
Mit diesem kleinen Satz hat Lukas seiner Beziehung großen Schaden zugefügt. Es hat Lisa viel Mühe gekostet, die eigene Ohnmacht und Hilflosigkeit zu offenbaren. Jetzt stellt sie fest, dass ihr Mann, dem sie eine Schwäche anvertraut hat, dieses Vertrauen missbraucht. Sie wird sich hüten, ihm noch einmal eine Schwäche zu enthüllen. Intimes Wissen als Waffe einzusetzen ist eine Form der Verachtung, die man um jeden Preis vermeiden sollte. [259]
Der vierte Reiter: Rückzug
Reagiert ein Partner auf einen Angriff mit einer Verteidigung, ist das schädlich, weil er den Konflikt heraufbeschwört. Noch verletzender ist es, wenn er gar nicht reagiert. Der vierte Untergangsbote lautet: Rückzug oder »Mauern«.
Rein äußerlich kann ein solches Mauern harmloser erscheinen als ein leidenschaftlicher Streit. Meist sind es Männer, die mauern.
Nehmen wir also an, Lukas kommt abends nach Hause, und das Erste, was Lisa sagt, ist: »Lukas, warum hast du heute Morgen den Müll wieder vergessen? Muss ich immer alles machen?« Früher
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