Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert
hätte Lukas auf diese Begrüßung vielleicht mit einer Rechtfertigung gekontert.
Aber er hat keine Lust mehr. Die dauernden Streitereien haben ihn müde gemacht. Er nimmt sein Bier, geht ins Wohnzimmer, schaltet den Fernseher ein – und schweigt. Er reagiert gar nicht auf den Vorwurf. Er sitzt da wie versteinert und regt sich nicht. »Indem er sich von ihr abwendet, geht er einem Streit aus dem Weg«, bemerkt Gottman über mauernde Ehepartner, »aber ebenso seiner Ehe.« [260]
Nichts hinterlässt den anderen so machtlos wie das Mauern. Es signalisiert: Ich spüre keinen Ärger und keine Verachtung mehr. Ich spüre gar nichts mehr. Du bist mir gleichgültig. Du bist Luft für mich.
Der fünfte Reiter: Machtdemonstration
Ursprünglich ist Gottman von vier apokalyptischen Reitern ausgegangen. Dann fiel ihm noch einer auf: die Machtdemonstration. [261]
So könnte Lukas irgendwann sagen: »Und ich lass meine Socken da liegen, wo ich will! Da kannst du noch so viel rummeckern...«
Und damit ist auch der fünfte Untergangsbote in die Beziehung eingezogen. Mit der Machtdemonstration zeigt man dem Partner: Jetzt wird keine Rücksicht mehr genommen. Ich mache, was ich will. Basta.
Warum ist die Machtdemonstration so gefährlich? Eine Partnerschaft heißt, Kompromisse einzugehen. Es heißt, die Bedürfnisse des anderen zu berücksichtigen, selbst dann, wenn einem diese Bedürfnisse nicht sofort einleuchten. Es heißt, den Empfindlichkeiten des Gegenübers entgegenzukommen, Sorgen zu besänftigen.
Die Machtdemonstration ist das genaue Gegenteil von alledem. Sie vernachlässigt nicht nur die Bedürfnisse des anderen, sie setzt sich aktiv über diese hinweg. Machtdemonstration provoziert Ärger und verletzt.
Das Verhängnisvollste an der Machtdemonstration ist vielleicht, dass man damit signalisiert: Ich interessiere mich nicht mehr für dich und für uns, sondern nur noch für mich. Ich habe das »Wir« aufgegeben. Diese Form des Egoismus schadet jeder Partnerschaft.
Das verflixte vierte Jahr
Dieses Untergangsszenario vollzieht sich häufig schneller, als wir glauben. Oft ist vom »verflixten siebten Jahr« die Rede, dem ominösen Schicksalsjahr, in dem Beziehungen reihenweise in die Brüche gehen sollen. Aber stimmt das auch?
Die Anthropologin Helen Fisher hat sich die Sache genauer angesehen. Die Forscherin vertiefte sich in die demographischen Jahrbücher der Vereinten Nationen und studierte die Scheidungsstatistiken von 62 Ländern, wie Finnland, Russland, Ägypten, Südafrika oder Venezuela. Die Daten hatte man in den Jahren zwischen 1947 und 1989 erhoben.
Als die Wissenschaftlerin einen Blick auf diese Daten warf, entdeckte sie, dass sich der Großteil der Ehescheidungen viel früher als erwartet vollzog: Zwischen dem zweiten und vierten Jahr. Das vierte Jahr wies dabei die höchsten Ziffern auf. »Das ›verflixte siebte Jahr‹«, lautet das Fazit der Anthropologin, »war in Wirklichkeit das vierte.« [267]
Doch was die Forscherin am meisten verblüffte, war nicht, dass
es oft schon kurz nach der Trauung wieder zur Trennung kommt, sondern dass sich beim Vergleich so vieler verschiedener Kulturen mit ihren jeweils eigenen Ehe- und Scheidungssitten überhaupt ein konsistentes Muster herauskristallisiert hatte. Wie Fisher notiert: »Manche dieser Leute sind Bankiers; andere bestellen ihren Garten, hüten Vieh, gehen zum Fischen oder verdienen ihren Lebensunterhalt als Händler. Die einen sind akademisch gebildet, andere können weder lesen noch schreiben. Diese Männer und Frauen, mehrere 100 Millionen aus 62 verschiedenen Kulturen, sprechen verschiedene Sprachen, betreiben unterschiedliche Gewerbe, tragen verschiedene Kleidung, haben unterschiedliches Geld in der Tasche, stimmen verschiedenartige Gebete an, fürchten jeweils andere Teufel, hegen unterschiedliche Hoffnungen und hängen verschiedenen Träumen nach. Und trotzdem häufen sich bei allen die Scheidungen regelmäßig um das vierte Ehejahr.« [268]
Helen Fischer fragte sich daraufhin, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass es sich bei dem Phänomen um einen Zufall handelt. Die Anthropologin glaubt natürlich nicht an einen Zufall. Der Befund, spekuliert Fisher, deutet vielmehr auf ein universelles Erbe unserer Entstehungsgeschichte. Die Natur, vermutet sie, hat die Liebe ins Leben gerufen, um zwei Menschen aneinander zu binden, allerdings nicht für immer, sondern so lange, bis der gemeinsame Nachwuchs aus dem Gröbsten raus ist. Nachdem die
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