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Die liebe Verwandtschaft

Die liebe Verwandtschaft

Titel: Die liebe Verwandtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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konnte ihm der bissige Köter die Ärmel nicht zerfetzen. Jossele gab uns einiges zu lösen auf, denn er ist ein leidenschaftlicher Briefmarkensammler. Vor einem Schaufenster des nächsten Warenhauses überkam uns die jähe Erleuchtung, dass hellblau die richtige Pulloverfarbe für ihn wäre.
    Allmählich arbeiteten wir uns durch die ganze Liste. War’s Zufall, war’s Fügung – wir entdeckten immer wieder, dass es für den Betreffenden kein passenderes Geschenk gab als einen Pullover, den sie abwechselnd tragen konnten. Finanzielle Schwierigkeiten ergaben sich nicht, da wir uns vom Unterstützungsfonds der Jüdischen Gemeinde in Genua genug Geld ausgeborgt hatten, um auch noch die beiden Koffer bezahlen zu können, die wir für unsere Geschenke brauchten.
    Erleichtert und in freudiger Stimmung transportierten wir unser gesamtes Gepäck in den Hafen.
    Und dort, schrill über das erste Heulen der Schiffssirene hinweg, ertönte der Aufschrei meiner Gattin: »Entsetzlich! Wir haben Tante Ilka vergessen.«
    Schon saßen wir im Taxi, schon hielten wir vor einem Warenhaus, schon stürzten wir hinein – und standen vor einer Katastrophe: Alle Pullover waren ausverkauft.
    »Es gehen nämlich heute und morgen zwei Schiffe nach Israel ab«, erklärte die Verkäuferin. »Aber ein netter kleiner Seismograph wäre noch da. Wird von Touristen viel verlangt.«
    Was sollte Tante Ilka mit einem Seismographen? Sie würde das womöglich für eine Anspielung auf ihr Schnarchen halten. Nein, das kam nicht in Betracht.
    Die Sirene der › SS Jerusalem ‹ heulte zum zweiten Mal und unmissverständlich.
    Wir erreichten sie ganz knapp und verstauten den schönen, dunkelroten Pullover, den wir der Verkäuferin vom Leibe weggekauft hatten, in unserem zwölften Koffer.
    Der Rest der Geschichte entbehrt jeder dramatischen Spannung. Aus purer Langeweile begannen wir auf hoher See die einzelnen Pullover zu probieren und stellten fest, dass sie uns wie angegossen passten. Natürlich kamen wir nicht mehr darauf zu sprechen.
    Kurz darauf zupfte mich meine Frau am Ärmel. »Eigentlich«, sagte sie tastend, »eigentlich sehe ich nicht ein, warum wir jedem Schmarotzer, den wir zufällig kennen, ein Geschenk mitbringen müssen. Wo steht das geschrieben?«
    »Das frage ich mich schon die ganze Zeit. Aber dann dürfen wir keinem von ihnen etwas mitbringen, sonst verfeinden wir uns mit den anderen …«
    Niemand hat ein Geschenk von uns bekommen. Wem’s nicht passt, der soll sich bei uns beschweren. Wir können selbst sehr gut ein paar Pullover gebrauchen, vielen Dank.

Kleine Geschenke erhalten Vater und Sohn
    Amir, mein zweitgeborener und, wie man weiß, rothaariger Sohn, hatte ziemlich mühelos das Alter von dreizehn Jahren und damit nach jüdischem Gesetz seine offizielle Mannbarkeit erreicht. Dies äußerte sich unter anderem darin, dass er – am ersten Sabbat nach seinem Geburtstag – in der Synagoge zur Verlesung des fälligen Thoraabschnitts an die Bundeslade gerufen wurde.
    Es äußerte sich ferner in einer abendlichen Feier, die wir nach Elternsitte für ihn veranstalteten und zu der wir zahlreiche Freunde sowie, vor allem, wohlhabende Bekannte einluden.
    Kurz vor Beginn des Empfangs machte ich meinem zum Manne gewordenen Sohn die Bedeutung des Anlasses klar.
    »Generationen deiner Vorfahren, mein Junge, blicken heute stolz auf dich nieder. Du übernimmst mit dem heutigen Tag die Verantwortung eines volljährigen Bürgers dieses Landes, das nach zweitausend Jahren endlich wieder …«
    »Apropos zweitausend«, unterbrach mich mein verantwortungsbewusster Nachfahre. »Glaubst du, dass wir so viel zusammenbekommen?«
    »Wer spricht von Geld?«, wies ich ihn zurecht. »Wer spricht von Schecks und von Geschenken? Was zählt, ist das Ereignis als solches, ist sein spiritueller Gehalt, ist …«
    »Ich werde ein Bankkonto auf meinen Namen eröffnen«, vollendete Amir laut und deutlich seinen Gedankengang.
    Dennoch war er ein wenig unsicher, als die ersten Gäste erschienen. Er wusste nicht recht, wo sein Platz war, er begann zu schwitzen und fragte mich immer wieder, was er sagen sollte.
    Geduldig brachte ich es ihm bei. »Sag: Ich freue mich, dass Sie gekommen sind.«
    »Und wenn man mir das Geschenk überreicht?«
    »Dann sag: Danke vielmals, das war aber wirklich nicht notwendig.«
    Derart gerüstet, bezog Amir Posten neben der Tür. Schon von Weitem rief er jedem Neuankömmling entgegen: »Danke, das war nicht notwendig« und hielt die Hand

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