Die Liebe verzeiht alles
hatte …
Bis vor fünfzehn Minuten!
„Nur damit ich es richtig verstehe … Die Kindsmutter, die dich seit Jahren nicht gesehen hat, überträgt dir die Vormundschaft für ihre Tochter, und du hast in der Angelegenheit nichts zu melden?“ Sara klang zu Lilahs Bestürzung ganz und gar nicht wie eine mitfühlende Schwester.
„Sprich leiser!“, forderte sie sie auf und blickte zu den Arrestzellen, die Bree gerade mit Saras Erlaubnis inspizierte. „Natürlich hatte ich in der Angelegenheit etwas zu sagen. Man kann niemanden zwingen, ein Kind in Obhut zu nehmen.“
„Und wieso ist die Kleine dann noch bei dir?“
Was sollte Lilah erzählen – und was lieber nicht? Bislang hatte sie nicht den Mut aufgebracht, überhaupt jemandem die ganze Geschichte anzuvertrauen. „Ich werde sie großziehen“, antwortete sie schließlich, und Sara schlug die Hände vors Gesicht.
Ja, Lilah hatte gewusst, warum sie zuerst mit Nettie reden wollte. Nettie war freundlich und zumindest ansatzweise mütterlich. Nach dem Tod der Eltern hatten nicht etwa Sara und Lilah sich um die kleine Schwester gekümmert, sondern diese sich umgekehrt um sie. Nettie hatte ihnen emotionale Nähe gegeben und nach besten Kräften für genießbare Mahlzeiten gesorgt.
Nie zuvor, so schien es Lilah, hatte sie den Rat und Zuspruch der Schwester dringender gebraucht. Aber bei Nettie war niemand zu Hause gewesen. Lilah hätte vor der Tür auf sie gewartet, wenn sie allein gewesen wäre. Doch Bree hatte erneut über die Hitze geklagt und behauptet, sie würde gleich verhungern. Also war sie widerwillig zu Sara aufs Revier gefahren.
Streng und kritisch sah Sara sie über den Schreibtisch hinweg an, während sie überlegte, was sie erzählen wollte. Schon als Kind hatte Lilah ihrer Schwester kaum ein Geheimnis anvertraut oder sie um Rat gefragt. Sie lagen einfach nicht auf derselben Wellenlänge. Für Sara gab es nur schwarz oder weiß, richtig oder falsch, gut oder böse.
„Grace war in meiner Anfangszeit in Los Angeles meine beste Freundin. Sie arbeitete als Empfangssekretärin in der ersten Künstleragentur, die mich unter Vertrag nahm. Ich habe ihr viel zu verdanken. Sie hat sich um mich gekümmert und mir gesagt, wem ich vertrauen kann und wem nicht, und mich oft gerettet. Ich war ihr mehr als nur einen Gefallen schuldig.“
„Nur weil sie dir bei deinem Schauspielkram geholfen hat, glaubst du, du musst ihre Tochter großziehen?“
Dass Sara nicht viel von Lilah hielt und fand, sie hätte im Leben so ziemlich auf ganzer Linie versagt, war ihr nichts Neues. „Ich werde Sabrina nicht im Stich lassen. Aber das verstehst du nicht, Sara. Also lassen wir das Thema besser.“
Sara beugte sich vor, und ihre Wangen wurden so rot wie ihre Haare, die sie zu einem altmodischen Knoten frisiert hatte. „Ich verstehe das nicht? Willst du damit vielleicht andeuten, dass ich jemanden im Stich lassen würde?“
„Du liebe Güte, nein.“
„Das will ich auch sehr hoffen. Schließlich war ich nicht diejenige, die über zweitausend Kilometer von zu Hause weggezogen ist, um bei irgendeinem Casting für eine Verkupplungsshow mitzumachen.“
„Oh, das ist es also.“ Lilah stand auf und ergriff das schnurlose Telefon, das auf dem Schreibtisch lag. „Hast du Netties Handynummer?“
„Weshalb möchtest du sie haben?“
„Weil sie nicht zu Hause war und ich nach der langen Fahrt gern einen freundlichen Menschen sehen würde.“
Sara erhob sich ebenfalls und bohrte ihr den Zeigefinger in die Brust. „Ich bin freundlich. Ich bin einer der freundlichsten Menschen, die du jemals kennenlernen wirst.“
„Das stimmt. Frag, wen du willst“, bestätigte eine rau klingende Stimme.
Lilah drehte sich um und erblickte Nick Brady, der mit federnden Schritten auf sie zukam. Doch bevor sie den Nachbarn aus früheren Tagen begrüßen konnte, fragte Sara mürrisch: „Klopfst du eigentlich nie an?“
„Vor dem Betreten eines öffentlichen Gebäudes? Eher selten. Außerdem bist du so freundlich.“ Er wandte sich Lilah zu und lächelte. „Schön, dass du wieder einmal da bist. Du siehst so bezaubernd aus wie immer.“
Nein, das tat sie nicht. Aber Nick beabsichtigte in erster Linie auch gar nicht, ihr ein Kompliment zu machen, sondern wollte Sara ärgern. „Auf deine charmante Art, meine Mängel zu übersehen, ist stets Verlass, Nick. Wie geht es dir?“ Kurz umarmten sie sich.
„Gut.“ Er nickte in Brees Richtung. „Du hast jemanden mitgebracht.“
„Ja, das
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